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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gewachsen.
     Das werden Sie beurteilen müssen. Seien Sie gnädig, Nicolau, wir Portugiesen gehen anders miteinander um als Ihre Landsleute.
     Die meisten danken es einem, aber durchaus nicht alle, und die gilt es zu erkennen. Wenn wir Dona Madalena erreicht hätten,
     wäre uns die Prozedur erspart geblieben. Sie hätten vorher bei ihr anrufen sollen. Haben Sie nach Fredericos Tod mit ihr gesprochen?«
    |106| Nicolas schüttelte nur den Kopf. Die Quinta auf diese Weise zu übernehmen, war ihm peinlich, besonders das bevorstehende Zusammentreffen
     mit Gonçalves. »Haben Sie wenigstens Seu Otelo erreicht?«
    »Auch nicht.« Nicolas erzählte vom Ausflug nach Tabuaço und dass Seu Otelo auch in Lissabon sei. »Zumindest war es das Einzige,
     das ich verstanden habe.«
    »Sie werden unsere Sprache schnell lernen, Sie sind ja sozusagen nur von Ausländern umgeben. Und Portugiesisch lernt man leichter
     als Deutsch.«
    »Das sagen alle. Wie wollen Sie das beurteilen, Senhor Pereira?«
    Der Anwalt lachte wieder und sah Nicolas an, der es mit der Angst bekam, als Pereira bei 120 Stundenkilometern auf der Uferstraße
     den Blick von der Fahrbahn nahm.
    »Weil ich Anfang der Siebzigerjahre in Berlin studiert habe. Es war eine großartige Zeit, auch bei uns, besonders nach 1974,
     nach der Nelkenrevolution. Am 27. April, zwei Tage nach der Machtübernahme durch das Militär, bin ich sofort nach Hause gefahren,
     mit dem Bus, eine Tortur. Ich war damals in der Studentenbewegung aktiv. Sie sind so still, ist Ihnen nicht gut?«
    Nicolas seufzte. Sollte er sagen, dass er diesen selbstmörderischen Fahrstil verabscheute oder dass dieses ungute Gefühl,
     diese Angst wieder da war, seit er die Unterschrift unter den Vertrag gesetzt hatte? Er fühlte sich wie ein Eindringling,
     wie jemand, der anderen etwas wegnahm. Das sagte er Pereira.
    Der schüttelte den Kopf. »Natürlich nehmen Sie jemandem etwas weg. Aber glauben Sie, die Mitarbeiter könnten die Quinta allein
     führen, im Kollektiv sozusagen? Alle derartigen Versuche sind gescheitert, das liegt nicht am System, sondern am Menschen.
     Die Quinta gehört Ihrem Onkel, hat ihm gehört, und er hat darüber nach Belieben verfügt. Erst kommen Sie, dann die Belegschaft.
     Sagen Sie |107| sich das jeden Tag, jeden Morgen. Ihre Entscheidung ist klar, jetzt jammern Sie nicht, freuen Sie sich, dass Sie was Vernünftiges
     zu tun bekommen. Besser an der frischen Luft als an Ihrem langweiligen Zeichenbrett oder dem Computer. Ich würde gern mit
     Ihnen tauschen.«
    »Das geht schlecht, ich verstehe nichts von Juristerei.«
    »Und ich nichts vom Weinbau. Sagen Sie nie, das kann ich nicht, sagen Sie immer, das kann ich noch nicht! Geben Sie sich eine
     Chance.«
    Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück.
    Gonçalves stand breitbeinig in der Bürotür, pumpte sich auf, um loszulegen, aber der Anwalt hielt ihm die Verfügung entgegen
     und redete auf den Verwalter ein, er fuhr ihm jedes Mal über den Mund, wenn er protestieren wollte. Zuletzt senkte Gonçalves
     den Kopf und schob mit dem Fuß verlegen Kiesel hin und her. Nach einer Weile gab er dem Anwalt die Hand, ohne ihm ins Gesicht
     zu sehen, und als Pereira auf Nicolas wies, ging er auf ihn zu, hielt ihm ebenfalls die Hand hin und meinte nur: »
Sorry, Mister Hollmann.
« Die Art, wie er das sagte, machte die Entschuldigung zunichte.
    »
Please, come in, come in.
« Gonçalves winkte Nicolas und den Anwalt ins Büro, und sie setzten sich an Gonçalves’ Schreibtisch. Von dem, was die beiden
     Portugiesen sprachen, verstand Nicolas kein Wort. Der Verwalter erklärte in endlosen Litaneien, gestikulierte, fuchtelte mit
     den Händen in der Luft und holte immer wieder weit mit dem Arm aus, als wolle er die ganze Bergregion umspannen. Pereira fragte,
     gab kurze Erwiderungen auf die weitschweifigen Erklärungen und wandte sich schließlich an Nicolas.
    »Senhor Gonçalves entschuldigt sich förmlich für sein gestriges Verhalten. Es täte ihm sehr leid, meint er, er wusste nicht,
     wen er vor sich hatte. Er bittet Sie, ihm seine Verfehlung zu verzeihen. Nach dem Tod Ihres Onkels, das |108| bringt er als Erklärung vor, seien so viele Interessenten hier aufgetaucht, die meinten, sie könnten billig Weinberge und
     Kellereiausrüstung oder Wein kaufen, zumal bekannt ist, dass Frederico keine Kinder hat. Auch Dona Madalena ist sozusagen
     davor geflüchtet. Selbstverständlich steht Ihnen als Erbe hier jede Tür offen. Nur bittet

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