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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Nicolas setzte sich an den Schreibtisch, nachdem er das Radio eingeschaltet hatte.
     So entging er der Stille und gewöhnte sich an die Sprache. Der Hund legte sich fluchtbereit in die Tür und behielt Nicolas
     im Auge – bis ihm der Kopf vornübersackte und er einschlief. In einem Ordner mit der Aufschrift Douro Geral fand Nicolas einen
     deutschen Text, der ihm die Erklärung für die Doppelbuchstaben auf den Weinbergkarten lieferte: TN, TF und die anderen Kürzel
     standen für die dort angepflanzten Rebsorten Touriga Nacional, Touriga Franca, Tinta Roriz und Tinta Cão ... Und anhand einer
     Information, die Friedrich an seine deutschen Kunden verschickt hatte, entzifferte Nicolas die Bedeutung der Buchstaben A,
     B und C bis F. Es handelte sich um eine Lagenklassifizierung, eine qualitative Bewertung der einzelnen Parzellen. Bereits
     1940 war ein Bewertungsschema entwickelt worden, wonach Höhenlage, die Region Cima Corgo, die Erträge pro 1 000 Rebstöcke
     und auch die Neigung |167| des Hanges bewertet wurden. Dann war wichtig, ob der Weinberg nach Süden ausgerichtet und wie hoch der Steinanteil war. Der
     gab Auskunft über den Wassereintritt sowie die Durchlässigkeit des Bodens. Hinzu kam, dass Schiefer das Licht reflektierte,
     die Trauben und das Blattwerk von den Seiten und unten anstrahlte. Und bei Nacht gaben die Steine die tagsüber gespeicherte
     Hitze wieder ab, was die gleichmäßige Reife begünstigte. Dann ging es um das Alter der Rebstöcke. Nur wenn sie älter als vier
     Jahre waren, durften sie zur Portweinproduktion herangezogen werden. Auch die Pflanzdichte je Hektar war entscheidend für
     die Punktevergabe. Die wichtigsten Kriterien waren dabei die Erträge und die Rebsorte. Das war, wenn Nicolas es richtig überblickte,
     auch das Einzige, worauf ein Winzer Einfluss nehmen konnte. Man konnte abholzen oder mehr pflanzen. Wer dadurch allerdings
     den Ertrag erhöhte, bekam Punkte abgezogen. Den Boden konnte er sich nicht aussuchen, ob der Hang geneigt war oder nicht,
     entzog sich selbstredend jeder Einflussnahme. Wetter und Wind waren sowieso unkontrollierbar und immer weniger vorhersehbar.
    Die hier vergebenen Punkte bedeuteten bares Geld. Trauben von A-Weinbergen waren die teuersten – wenn man sie verkaufte. Von
     wem Friedrich Trauben hinzugekauft hatte, müsste sich aus den Rechnungsunterlagen ergeben. Wenn Gonçalves ihm weiterhin Schwierigkeiten
     machte, musste er sich an den Kellermeister halten und so was wie Piktogramme entwickeln, mittels derer er sich verständlich
     machen konnte, eine Art Comic. Ihm fiel auch sofort etwas ein: ein Piktogramm mit einer Weintraube, auf dem nächsten ein mit
     Trauben beladener Lkw und auf dem dritten Geldscheine mit einem Fragezeichen. Das alles mit der linken Hand zu zeichnen, wäre
     eine unsägliche Mühe.
    Er erinnerte sich, wie er sich auf diese Weise mit einer |168| Polin verständigt hatte, die wissen wollte, wie man nach der Ankunft mit dem Schiff im Hafen von Harwich nach London käme.
     Er hatte die Fähre gezeichnet, mit ihr als Passagierin, sie dann vor dem Schiff in einen Doppelstockbus steigen lassen, der
     am Zug hielt. Die letzte Zeichnung war die Tower Bridge gewesen. Sie hatte es verstanden, sicher auch, weil sie es hatte verstehen
     wollen. Es war eine Notlösung, sie konnte den Sprachunterricht nicht ersetzen.
    Das Klingeln des Telefons schnitt wie ein Messer durch die Stille. Nicolas erschrak zutiefst, sogar Perúss sprang auf und
     bellte wild. Nicolas war so erstaunt darüber, dass er beinahe das Abheben des Hörers vergaß. Es war Dr. Veloso.
    »Was macht Ihr Arm? Können Sie sich einarbeiten? Ihr Onkel hat eine große Bibliothek mit vielen Büchern über Wein und Weinanbau.
     Vielleicht sollten wir uns die mal gemeinsam ansehen. Ich könnte Ihnen helfen, die richtigen Bücher zu finden, damit Sie keine
     Zeit verlieren. Und – sind die Mitarbeiter hilfsbereit?«
    Nicolas war dankbar, mit jemandem reden zu können, trotzdem zögerte er mit den Antworten. Sollte er dem Arzt von seinen Schwierigkeiten
     erzählen? Nein, es wäre ein Zeichen von Schwäche. Er wusste nicht, was Veloso weitergab, denn schließlich waren die Quintas
     ringsum Konkurrenten, die seine Situation hätten ausnutzen können. Siedend heiß fiel Nicolas die Kundenliste ein. Wenn einer
     der Mitarbeiter die Adresse ihrer Kunden an andere Produzenten weitergab, und das mitsamt der Umsatzzahlen? Dieser verdammte
provador
musste her, bevor alles

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