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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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systematisch alle Ordner durch, in denen die Pläne der Weinberge sein konnten. Zu dem aus dem Rechner gesellten
     sich acht weitere Pläne, die er jedoch keinem Ort zuordnen und daher ihre Lage nicht bestimmen konnte. Es musste einen Generalplan
     geben, er jedenfalls hätte einen |162| angefertigt und ihn dann unterteilt. Langsam glaubte Nicolas, dass er Friedrichs Art zu denken verstand, er teilte sie. Kein
     Wunder, sie stammten aus derselben Familie, und sie kamen aus derselben Stadt. Sie hatten eine ähnliche Ausbildung genossen,
     nur was Friedrich ihm voraushatte, war die politische Vergangenheit, sein Engagement und anscheinend auch die Visionen. Er
     selbst empfand die Welt bei genauerem Hinsehen als aus der Spur geraten, das Negative überwog, die Machthaber waren gerade
     dabei, alles, aber auch wirklich alles zugrunde zu richten. Die Zivilisation plünderte den Planeten aus, bis er zum Mars würde.
     Doch sich dagegen aufzulehnen, wäre ihm nicht in den Sinn gekommen – und wie auch? Mit ehemaligen Kommilitonen oder Kollegen,
     die nichts anderes als persönliches Fortkommen im Sinn hatten und deren Karrieren zwischen grandiosem Aufstieg und Hartz IVstecken
     blieben? Da war sein Onkel anders gewesen, er hatte Schwein gehabt, er war in einer anderen Epoche aufgewachsen. Damals war
     nicht alles auf Kommerz und Image ausgerichtet gewesen. Nicolas stutzte, als hätte er sich bei etwas Verbotenem ertappt. Ihn
     befiel ein gänzlich unbekanntes Gefühl, neu, fremd und unangenehm, er hatte es nie gespürt. War das Neid? Es war kein schönes
     Gefühl, schmeckte wie verfaultes Essen und verdarb den Magen. Friedrich hatte gewusst, wogegen er sich aufgelehnt und wofür
     er sich eingesetzt hatte. Ihm selbst blieb diese Eindeutigkeit verschlossen, es gab keine Zukunft. Er ging lieber allen und
     allem, was unangenehm war, aus dem Weg.
    Doch was hatte Friedrich der Protest genutzt? Was war dabei rausgekommen? Was hatte es ihm oder anderen eingebracht? Wahrscheinlich
     viel Ärger – und dieses Weingut, und das war allerhand. Friedrich hatte, soweit Nicolas das beurteilen konnte, bei seinem
     Abgang aus Deutschland nichts von Weinbau verstanden, jedenfalls hatte niemand in der Familie jemals etwas in dieser Hinsicht
     geäußert. |163| Dann war er Autodidakt gewesen. Früher galt das etwas, heute war es ein Schimpfwort für jemanden, der unprofessionell herumwerkelte,
     als wäre die Welt nur von Fachleuten aufgebaut worden. Dabei war es sicher intelligenter, und man lernte mehr, wenn man sich
     etwas selbst beibrachte. Dann musste Friedrich ziemlich intelligent gewesen sein, diszipliniert und offen anderen Menschen
     gegenüber, um ihr Wissen anzunehmen und von ihren Erfahrungen zu lernen. Wäre das auch sein Weg? Für dumm hielt er sich nicht,
     aber für diszipliniert? Es hätte einen Grund dafür geben müssen, ein Ziel, eine Hoffnung. Was hatte er für Ziele? Im Moment
     nur eins – Teufel, sagte er sich, dann mach hier weiter ... und er gab sich in Gedanken einen Tritt.
    Er fand den Generalplan. Es war eine Übersichtskarte mit verschiedenfarbigen Feldern, die Friedrichs einzelne Weinberge markierten.
     Wenn er mit der Maus auf ein solches Feld klickte, öffnete sich eine neue Karte, und dann war er da, wo er begonnen hatte.
     Auf der Einzelkarte waren die Wege eingezeichnet, der Verlauf der Trockenmauern, wie er der Legende entnahm, sogar ihr Zustand
     sowie die Größe jeder einzelnen Parzelle. Darin wieder fand er Größenangaben in Quadratmetern und Hektar. Für Doppelbuchstaben
     wie TF, TN, TR, TC und TB fand er keine Legende, ebenso wenig begriff er, was die Buchstaben von A bis C und die dahinter
     stehenden Zahlen zwischen 1000 und 1200 zu bedeuten hatten. Auch entdeckte er ein neues Wort:
pomar
. Das Wörterbuch gab ihm Obstgarten als Antwort. Dann hatte er also auch einen Obstgarten geerbt. Das war nicht schlecht,
     frisches Obst aus dem eigenen Garten und keine lackierten, halbtot gespritzten EG-Äpfel mehr. Stattdessen frische Feigen und
     Orangen? Ein Zitronenbaum stand im Park, Orangen, Limetten – was würde es noch geben? Er sollte hinfahren und diesen
pomar
besichtigen.
    In der Küche suchte er unter Dona Firminas strengem |164| Blick das Speiseöl, es stand neben dem Herd in Griffweite. Es war ein wenig trüb und hatte eine schöne Grünfärbung. Er goss
     einige Tropfen auf eine Untertasse, es duftete eindringlich und schmeckte hervorragend. Er hielt die Flasche in die Höhe,
     winkte

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