Der Präsident
gewesen war. In seiner Zeit als Pflichtverteidiger hatte Jack einige von Luthers Vorstrafen überprüft. Er arbeitete alleine. Sogar bei den Fällen, für die er nicht verhaftet, sondern nur verhört worden war, gab es keine Anzeichen darauf, dass mehr als eine Person beteiligt gewesen war. Wer also konnten diese Leute sein? Ein Hehler, den Luther übers Ohr gehauen hatte? Aber Luther war schon viel zu lange im Geschäft, um so etwas zu tun. Es lohnte sich nicht. Seine Opfer vielleicht? Möglicherweise konnten sie nicht beweisen, dass Luther das Verbrechen begangen hatte, und führten statt dessen einen Rachefeldzug gegen ihn. Doch wer konnte solchen Groll entwickeln, weil bei ihm eingebrochen worden war? Das wäre verständlich gewesen, wenn Luther jemanden verletzt oder umgebracht hätte, doch dazu war Luther nicht fähig.
Jack ließ sich an seinem kleinen Konferenztisch nieder und dachte flüchtig an die vorige Nacht zurück. Es waren die schmerzvollsten Augenblicke seines Lebens gewesen, schlimmer noch als damals, als Kate ihn verlassen hatte. Aber er hatte nur gesagt, was gesagt werden musste.
Er rieb sich die Augen. In dieser Phase seines Lebens konnte er die Whitneys nicht gut brauchen. Doch er hatte Luther sein Versprechen gegeben. Warum bloß hatte er das getan? Jack löste die Krawatte. Irgendwann musste er einen Schlussstrich ziehen, den Faden abschneiden, und sei es nur seiner seelischen Ausgeglichenheit wegen. Im Augenblick konnte er nur hoffen, dass der versprochene Gefallen niemals eingefordert wurde.
Nachdem er sich aus der Küche ein Mineralwasser geholt hatte, setzte er sich zurück an den Schreibtisch und stellte die Honorarnoten für den letzten Monat fertig. Die Firma verrechnete Baldwin Enterprises um die dreihunderttausend Dollar pro Monat, und die Arbeit mehrte sich rasch. Während Jacks Abwesenheit hatte Jennifer zwei neue Fälle herübergeschickt, die ein Regiment von Anwälten für etwa sechs Monate beschäftigen würden. Überschlagsmäßig rechnete Jack seinen Gewinnanteil für das Quartal aus und pfiff leise durch die Zähne. Es war fast zu einfach.
Das Verhältnis zwischen Jennifer und ihm entwickelte sich tatsächlich zum Besseren. Der Verstand riet ihm, daran nicht zu rühren. Das Organ in seiner Brust hingegen zeigte sich weniger überzeugt, doch Jack war der Meinung, es sei an der Zeit, dass der Verstand das Kommando über sein Leben übernähme. Es war nicht so, dass sich die Beziehung selbst verändert hatte. Verändert hatten sich nur Jacks Erwartungen. War das ein Kompromiss seinerseits? Vermutlich. Aber wer konnte schon von sich behaupten, das Leben ohne Kompromisse zu meistern? Kate Whitney hatte es versucht, und Jack hatte erlebt, was aus ihr geworden war.
Er rief in Jennifers Büro an, doch sie war nicht da. Für heute hatte sie bereits Feierabend gemacht. Er warf einen Blick auf die Uhr. Halb sechs. Wenn Jennifer Baldwin nicht auf Reisen war, verließ sie das Büro nur selten vor acht Uhr. Jack sah in seinen Kalender. Sie war die ganze Woche über in der Stadt. Als er gestern Nacht versucht hatte, sie vom Flughafen aus anzurufen, hatte er sie auch nicht erreicht. Hoffentlich war alles in Ordnung.
Gerade als er sich bereit machte zu gehen und zu ihrem Haus zu fahren, steckte Dan Kirksen den Kopf zur Tür herein.
»Haben Sie einen Augenblick Zeit?«
Jack zögerte. Der kleine Mann, der stets eine Fliege trug, irritierte Jack; den Grund dafür kannte er sehr genau. So respektvoll Kirksen sich auch verhielt, ohne die Millionen Dollar, die Jack kontrollierte, hätte er ihn wie ein Stück Dreck behandelt. Darüber hinaus wusste Jack, dass Kirksen sich sehnsüchtig wünschte, Jack trotzdem wie ein Stück Scheiße behandeln zu dürfen, und dass er hoffte, dieses Ziel eines Tages zu erreichen.
»Ich wollte gerade gehen. In letzter Zeit habe ich ziemlich hart gerackert.«
»Ich weiß.« Kirksen lächelte. »Die ganze Firma spricht davon. Sandy sollte sich besser vorsehen; nach allem, was man hört, ist Walter Sullivan geradezu begeistert von Ihnen.«
Innerlich lächelte Jack. Lord war der einzige, dem Kirksen noch sehnsüchtiger in den Hintern treten wollte als ihm. Ohne Sullivan wäre Lord verwundbar. All diese Gedanken konnte Jack lesen, während sie hinter den Brillengläsern des geschäftsführenden Teilhabers der Firma vorbeizogen.
»Ich glaube nicht, dass Sandy sich über irgendetwas Sorgen machen muss.«
»Natürlich nicht. Es dauert nur ein paar Minuten.
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