Der Präsident
Faden gehangen und wäre plötzlich weggezogen worden.
Kate bog in die Auffahrt ein. Das Haus war völlig dunkel. Von der Rückseite des vor ihr parkenden Autos wurde das Scheinwerferlicht zurückgeworfen und blendete sie. Sie schaltete die Lichter ab, holte tief Luft und stieg aus dem Wagen in das kalte Unwetter.
Der Schneefall der vergangenen Tage war nicht heftig gewesen; letzte Reste davon knirschten unter ihren Füßen, als sie zur Eingangstür hinaufstapfte. Die Temperaturen ließen erwarten, dass sich über Nacht Eis bilden würde. Sie stützte sich mit einer Hand am Wagen ihres Vaters ab, um nicht auszurutschen. Obwohl sie nicht erwartete, ihn zu Hause anzutreffen, hatte sie die Haare gewaschen und zurechtgemacht, eines der Kostüme angezogen, die sie üblicherweise nur vor Gericht trug und tatsächlich mehr als bloß einen Hauch Make-up aufgetragen. Immerhin war sie eine erfolgreiche Frau, und sollten sie einander zufällig von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, sollte er erkennen, dass sie trotz seiner Vernachlässigung nicht nur überlebt hatte, sondern dass es ihr gut ging.
Der Schlüssel befand sich immer noch an derselben Stelle, von der ihr Jack vor vielen Jahren erzählt hatte. Sie hatte es immer als widersprüchlich empfunden, dass ein berufsmäßiger Einbrecher sein Eigentum so leicht zugänglich zurückließ. Als sie die Tür aufschloss und langsam hineintrat, bemerkte sie weder den Wagen, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite anhielt, noch den Fahrer, der sie wachsam beobachtete und bereits ihr Kennzeichen notierte.
Das Haus hatte den muffigen Geruch eines lange verlassenen Ortes entwickelt. Gelegentlich hatte sie überlegt, wie es wohl im Inneren aussehen musste. Sie hatte sich stets vorgestellt, dass es sauber und ordentlich sein musste, und sie wurde nicht enttäuscht.
Ohne das Licht einzuschalten, setzte sie sich auf einen Stuhl im Wohnzimmer. Sie konnte nicht wissen, dass es der Lieblingssessel ihres Vaters war und dass Luther dasselbe getan hatte, als er ihre Wohnung heimsuchte.
Das Foto, das auf dem Kaminsims stand, musste beinahe dreißig Jahre alt sein. Kate, in den Armen ihrer Mutter, war von Kopf bis Fuß eingewickelt; unter dem rosa Häubchen lugten nur ein paar dunkle Haarbüschel hervor, obwohl sie mit einem auffallend dichten Wuschelkopf zur Welt gekommen war. Ihr Vater stand mit ruhigem Gesichtsausdruck und Schlapphut auf dem Kopf an der Seite ihrer Mutter. Seine mächtige Hand berührte Kates winzige Finger.
Dasselbe Foto hatte Kates Mutter bis zu ihrem Tod auf der Kommode stehen gehabt. Kate hatte es noch am Tag der Beerdigung weggeworfen. Sie fluchte auf die Intimität zwischen Vater und Tochter, die das Bild darstellte. Gleich nachdem ihr Vater in ihr Haus gekommen war, hatte sie es in den Müll verbannt. Sie war auf ihn losgegangen, mit einer Wut, einem Gefühlsausbruch, der immer unkontrollierter wurde, da er nicht darauf reagierte, sich in keiner Weise wehrte, sondern einfach dastand und den Hagel über sich ergehen ließ. Je ruhiger er wurde, desto weiter steigerte sich ihr Zorn, bis sie schließlich mit beiden Händen auf ihn einschlug. Man musste sie mit Gewalt zurückhalten. Erst da setzte ihr Vater den Hut wieder auf, legte die mitgebrachten Blumen auf den Tisch, ging zur Tür hinaus und schloss sie hinter sich. Sein Gesicht war gerötet von den Schlägen gewesen, und in seinen Augen hatten, aus einem anderen Grund, Tränen gestanden.
Als Kate nun auf dem Stuhl ihres Vaters saß, erkannte sie, dass auch er an diesem Tag getrauert hatte, getrauert um eine Frau, die er ein Gutteil seines Lebens gekannt und auf seine Art geliebt hatte; auch sie hatte ihn zweifelsohne geliebt. Kate fühlte einen Kloß im Hals, den sie eilig bekämpfte, indem sie sich an die Kehle fasste.
Sie stand auf und wanderte durch das Haus. Vorsichtig lugte sie in jeden Raum und wich wieder zurück. Je tiefer sie in das Privatleben ihres Vaters eindrang, desto nervöser wurde sie. Die Schlafzimmertür war nur angelehnt, und schließlich rang sie sich dazu durch, sie ganz aufzustoßen. Sie trat in den Raum und wagte, das Licht anzudrehen. Sobald die Augen sich der neuen Helligkeit anpassten, fiel ihr Blick auf den Nachttisch. Kate schritt näher darauf zu und setzte sich auf das Bett.
Die Fotosammlung war im Wesentlichen ein ihr gewidmeter Schrein. Die Bilder erzählten ihr ganzes Leben, von den ersten Tagen an. Offenbar war sie das letzte, was ihr Vater jeden Abend sah, wenn er
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