Der Präsident
meist durchsetzt.«
»Woher wissen Sie das alles?«
»Aus ein paar gezielten Telefonaten. Die Menschen reden gerne über den Kummer anderer; es gibt ihnen das Gefühl, ihr eigenes Leben sei besser, auch wenn das selten zutrifft.«
»Und wohin führt uns das familiäre Chaos?«
»Seth, bedenken Sie doch die Möglichkeiten. Das Mädchen hasst seinen alten Herrn. Hasst ihn, fettgedruckt und groß geschrieben.«
»Sie wollen Sie also benützen, um an ihn heranzukommen. Wie soll das funktionieren, wenn die beiden einander so entfremdet sind?«
»Das ist der springende Punkt. So wie es aussieht, geht der Hass nur von ihr aus. Nicht von ihm. Er liebt sie, liebt sie mehr als alles andere. Er hat ihr einen regelrechten Schrein in seinem Schlafzimmer eingerichtet. Glauben Sie mir, er wird anbeißen.«
»Falls – und ich betrachte es nach wie vor als großes FALLS – sie bereit ist, mit uns zusammenzuarbeiten, wie soll sie mit ihm in Kontakt treten? Er wird nicht zu Hause vor dem Telefon lungern, soviel steht wohl fest.«
»Nein, aber ich möchte wetten, dass er den Anrufbeantworter abhört. Sie sollten sein Haus sehen. Der Kerl ist so was von penibel. Alles steht dort, wo es hingehört. Die Rechnungen sind wahrscheinlich im Voraus bezahlt. Und er hat keine Ahnung, dass wir ihm auf den Fersen sind. Zumindest noch nicht. Vermutlich überprüft er den Anrufbeantworter ein- bis zweimal jeden Tag. Nur für alle Fälle.«
»Sie soll also eine Nachricht hinterlassen und einen Treffpunkt vereinbaren, wo wir ihn uns dann greifen?«
Burton stand auf, schnippte zwei Zigaretten aus der Packung und reichte Frank eine. Es dauerte einen Augenblick, bis beide angezündet waren.
»Ich persönlich glaube, es könnte funktionieren. Außer Sie haben eine bessere Idee.«
»Wir müssen sie erst noch überzeugen. Nach allem, was Sie erzählen, scheint sie nicht allzu bereitwillig zu sein.«
»Sie sollten besser allein mit ihr reden. Vielleicht bin ich zu grob mit ihr umgesprungen. Das passiert mir öfter.«
Frank nahm Hut und Mantel, dann hielt er inne.
»Hören Sie, ich wollte Ihnen nicht auf die Füße treten.«
Burton grinste. »Sicher wollten Sie das. Hätt’ ich an Ihrer Stelle ebenso gemacht.«
»Ich bin dankbar für die Hilfe.«
»Jederzeit.«
Seth wollte hinausgehen.
»He, Seth, tun Sie einem alten Furz von einem Ex-Bullen einen Gefallen?«
»Welchen?«
»Lassen Sie mich dabei sein, wenn die Falle zuschnappt. Ich möchte unbedingt sein Gesicht sehen, wenn die Handschellen klicken.«
»Genehmigt. Ich ruf Sie an, nachdem ich mit ihr gesprochen habe. Dieser Bulle geht jetzt heim zu seiner Familie. Sie sollten das Gleiche tun, Bill.«
»Nachdem ich meine Zigarette ausgeraucht habe.«
Frank verließ den Raum. Burton setzte sich, rauchte gemächlich zu Ende und löschte den Stummel in einer halbvollen Tasse Kaffee aus.
Natürlich hätte er Whitneys Namen dem Kommissar vorenthalten können; er hätte ihm nur zu sagen brauchen, das FBI habe nichts gefunden. Aber das war ein allzu gewagtes Spiel. Hätte Frank es jemals entdeckt – und dafür bestanden Dutzende Möglichkeiten –, dann hätte Burton da gehangen. Nur die Wahrheit hätte ihm dann noch helfen können, und die Wahrheit stand selbstverständlich nicht zur Debatte. Außerdem war es für Burton unerlässlich, dass Frank Whitneys Identität kannte. Der Plan des Secret-Service-Agenten sah vor, dass der Ermittler den Ex-Sträfling für ihn aufspüren sollte. Finden ja, verhaften nein.
Burton stand auf, zog sich den Mantel an. Luther Whitney. Zur falschen Zeit am falschen Ort, mit den falschen Leuten. Nun, zumindest würde er es nicht kommen sehen, wenn das ein Trost war. Er würde nicht einmal den Schuss hören. Sekundenbruchteile, bevor die Synapsen den Impuls an das Gehirn senden konnten, würde er bereits tot sein. So konnte sich das Blatt wenden. Manchmal zum Guten, manchmal zum Schlechten. Wäre ihm nun noch etwas eingefallen, wie er den Präsidenten und die Stabschefin dabei an den Kanthaken kriegen konnte, der Tag wäre ein voller Erfolg gewesen. Das jedoch, so fürchtete Burton, ging selbst über seine Möglichkeiten hinaus.
Collin parkte den Wagen ein Stück weiter unten an der Straße. Sanft segelten die letzten bunten Blätter, die träge in der Brise trieben, auf ihn herab. Er war leger gekleidet: Jeans, Baumwollpullover und Lederjacke. Die Jacke war an der Schulter nicht ausgebeult. Sein Haar war noch feucht von einer hastigen Dusche. Die bloßen
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