Der Präsident
zu Bett ging. Am meisten jedoch überraschten sie die Fotos aus ihrem späteren Leben. Die Graduierung vom College und der Juristischen Fakultät. Ganz bestimmt war ihr Vater zu diesen Anlässen nicht eingeladen gewesen, doch hier waren sie dokumentiert. Auf keinem der Fotos blickte sie den Betrachter an. Entweder ging sie, oder sie winkte irgendjemandem zu, oder sie stand einfach da, augenscheinlich ohne sich der Kamera bewusst zu sein. Sie wandte sich dem letzten Bild zu. Darauf stieg sie die Stufen des Gerichtsgebäudes in Alexandria hinunter. Ihr erster Tag bei Gericht; höllisch nervös war sie gewesen. Zwar hatte es sich nur um eine Klage wegen eines geringfügigen Vergehens gehandelt, doch das breite Grinsen im Gesicht zeigte den absoluten Triumph.
Kate fragte sich, wie um alles in der Welt es möglich war, dass sie ihn nie bemerkt hatte. Vielleicht hatte sie ihn gesehen, wollte es sich aber nicht eingestehen.
Die erste Empfindung war Wut. All die Jahre hatte ihr Vater ihr nachspioniert. All diese außergewöhnlichen Augenblicke ihres Lebens. Er hatte sie vergewaltigt. Vergewaltigt durch seine unerwünschte Anwesenheit.
Die zweite Reaktion war wesentlich subtilerer Natur. Doch sie reichte aus, dass sie jäh von der Bettkante aufsprang und sich zur Tür wandte, um aus dem Zimmer flüchten.
Dabei krachte sie direkt in den riesenhaften Kerl, der dort stand.
»Nochmals Verzeihung, Ma’am, ich wollte Sie bestimmt nicht erschrecken.«
»Erschrecken? Mir ist vor Angst fast das Herz stehengeblieben.« Kate saß auf dem Bettrand und versuchte, sich wieder in den Griff zu bekommen, nicht mehr zu zittern. Die Kälte im Haus war dabei keine große Hilfe.
»Entschuldigen Sie die Frage, aber warum interessiert sich der Secret Service für meinen Vater?«
Sie betrachtete Bill Burton mit einem Blick, in dem so etwas wie Furcht lag. Zumindest deutete er es als Furcht. Er hatte sie im Schlafzimmer beobachtet, wie sie flink die Bilder durchsah, und er hatte aus den feinen Botschaften ihrer Körpersprache gelesen. Diese Fähigkeit hatte er im Laufe der Jahre entwickelt, in denen er unzählige Menschenmengen nach den ein oder zwei wirklich gefährlichen Gestalten absuchte, die dort lauern konnten. Tochter und Vater waren einander entfremdet. Schließlich war sie gekommen, um nach ihm zu sehen. Langsam fügte sich ein Bild zusammen, das Burton für seine Zwecke durchaus dienlich erschien.
»Tun wir eigentlich gar nicht, Ms. Whitney. Die Polizei in Middleton dafür um so mehr.«
»Middleton?«
»Ja, Ma’am. Sicher haben Sie vom Mord an Christine Sullivan gehört.« Er ließ die Bemerkung in der Luft hängen, um zu beobachten, wie sie darauf reagierte. Wie erwartet. Völlig ungläubig.
»Sie meinen, mein Vater hat etwas damit zu tun?« Es war eine berechtigte Frage. Und sie klang nicht, als wollte sie ihn schützen. Burton erachtete das als bedeutsam und ebenfalls positiv für den Plan, den er sich zurechtgelegt hatte, als er sie erblickte.
»Der mit dem Fall betraute Ermittler will es nicht ausschließen. Anscheinend war Ihr Vater kurz vor dem Mord als Mitarbeiter einer Teppichreinigungsfirma unter falschem Namen in Sullivans Haus.«
Kate schnappte nach Luft. Ihr Vater hatte Teppiche gereinigt? Natürlich hatte er den Ort ausgekundschaftet, nach Schwachstellen gesucht, wie er es stets zu tun pflegte. Er hatte sich kein bisschen verändert. Aber Mord?
»Ich kann nicht glauben, dass er die Frau umgebracht hat.«
»Gut, aber dass er versucht hat, in das Haus einzubrechen, das können Sie glauben, nicht wahr, Ms. Whitney? Ich meine, es wäre nicht das erste, auch nicht das zweite Mal, oder?«
Kate starrte auf ihre Hände. Schließlich nickte sie.
»Menschen ändern sich, Ma’am. Ich weiß zwar nicht, wie nahe Sie Ihrem Vater in letzter Zeit standen« – Burton bemerkte die winzige, doch erkennbare Regung in ihren Zügen –, »aber es weist alles darauf hin, dass er irgendwie darin verwickelt ist. Und die Frau ist tot. Vermutlich haben Sie schon mit weniger Beweisen Schuldsprüche erzielt.«
Kate bedachte ihn mit einem argwöhnischen Blick. »Woher wissen Sie so viel über mich?«
»Nun, wenn ich eine Frau in das Haus eines Mannes schleichen sehe, der von der Polizei gesucht wird, tue ich, was jeder Kriminalbeamte tun würde. Ich habe Ihr Kennzeichen überprüfen lassen. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus, Ms. Whitney. Die Staatspolizei hält große Stücke auf Sie.«
Sie sah sich im Zimmer um. »Er ist nicht hier. Sieht
Weitere Kostenlose Bücher