Der Präsident
ans Telefon. Er zog sich an, ließ den Wagen vorfahren, und um halb neun marschierte er durch die Eingangshalle der Firma.
Sein Weg führte an Jacks altem Büro vorbei, wo immer noch Schachteln und persönliche Dinge verstreut lagen. Nur wenige Schritte von Lords Büro entfernt befand sich Jacks neues Quartier, ein wunderschöner, sechs mal sechs Meter großer Raum mit einer kleinen, gut bestückten Bar, antiken Möbeln und einem herrlichen Ausblick über die Stadt. Schöner als sein eigenes Büro, kam es Kirksen in den Sinn. Er verzog das Gesicht
Der Stuhl stand von der Tür weggedreht. Kirksen machte sich nicht die Mühe anzuklopfen. Er trat in den Raum und warf die Zeitung auf den Tisch.
Gemächlich drehte Jack sich um und blickte auf die Zeitung.
»Nun, zumindest ist der Firmenname richtig geschrieben. Großartige Werbung. Bringt bestimmt jede Menge Klienten.«
Ohne den Blick von Jack abzuwenden, nahm Kirksen Platz. Langsam, bedächtig sprach er, als hatte er ein kleines Kind vor sich: »Sind Sie verrückt geworden? Wir übernehmen keine Strafrechtssachen. Wir bearbeiten überhaupt keine Streitfälle.«
»Das stimmt nicht ganz. Bisher war das so, jetzt nicht mehr«, erwiderte Jack. Lächelnd musterte er Kirksen. Vier Millionen gegen sechshunderttausend, Kumpel. Also zieh Leine, du Schwachkopf.
»Jack, vielleicht sind Sie nicht ganz mit der Vorgehensweise vertraut, wie in dieser Firma ein neues Projekt in Angriff genommen wird. Ich werde meine Sekretärin anweisen, Ihnen die entsprechenden Bestimmungen auszuhändigen. Ich vertraue darauf, dass Sie inzwischen alles Nötige veranlassen, um sich und die Firma unverzüglich von dieser Angelegenheit zu distanzieren. Danke.«
Als wäre die Sache damit abgetan, erhob sich Kirksen und wollte gehen. Auch Jack stand auf.
»Hören Sie, Dan, ich habe den Fall übernommen und bringe ihn auch zu Ende, ganz gleich, was Sie und die Firmenpolitik dazu meinen. Schließen Sie die Tür, wenn Sie hinausgehen.« Langsam drehte sich Kirksen herum und starrte Jack bedrohlich an.
»Jack, überlegen Sie, was Sie sagen. Ich bin der geschäftsführende Teilhaber der Firma.«
»Ich weiß, Dan. Darum sollte es auch kein allzu großes Problem für Sie sein, auf dem Weg nach draußen die verdammte Tür zu schließen!«
Wortlos wandte Kirksen sich um und warf die Tür hinter sich zu.
Endlich ließ das Pochen in Jacks Schläfen nach. Er machte sich wieder an die Arbeit. Die Schriftsätze hatte er fast fertig. Bevor man ihn zur Rede stellen und aufhalten konnte, wollte er sie einreichen. Nachdem die Vorlagen ausgedruckt waren, unterschrieb er sie und rief persönlich den Botendienst an. Danach lehnte er sich im Stuhl zurück. Es war neun Uhr. Bald musste er los, um zehn sollte er Luther treffen.
In Jacks Kopf drängten sich die Fragen, die er seinem Mandanten stellen wollte. Dann dachte er an jene Nacht zurück. Jene eisige Nacht an der Mall. An den Blick in Luthers Augen.
Die Fragen zu stellen war kein Problem. Jack hoffte nur, er würde stark genug für die Antworten sein.
Er schlüpfte in den Mantel. Wenige Minuten später saß er bereits im Wagen und war unterwegs zum Bezirksgefängnis von Middleton.
Gemäß der Verfassung des Staates Virginia sowie der Verfahrensregeln für Strafrechtsprozesse muss der Staat dem Angeklagten jedwedes entlastende Beweismaterial zur Verfügung stellen. Die Missachtung dieser Bestimmung kann die Karriere eines Staatsanwalts gehörig aus der Bahn werfen. Ganz abgesehen davon, dass eine Verurteilung nicht zustande kommen oder der Angeklagte Berufung einlegen kann.
Genau diese Vorschriften bereiteten Seth Frank schweres Kopfzerbrechen.
In seinem Büro sitzend, grübelte er über den Häftling nach, der weniger als eine Minute entfernt in einer Zelle schmorte. Die ruhige und scheinbar harmlose Art machte Frank wenig zu schaffen. Einige der schlimmsten Verbrecher, die er je verhaftet hatte, sahen aus, als wären sie gerade vom Kirchgesang gekommen, nachdem sie nur so zum Spaß irgendjemandem den Schädel gespaltet hatten. Gorelick bereitete seinen Fall gewissenhaft vor, indem er methodisch einzelne Fäden sammelte, die er vor den Geschworenen zu einem robusten Strick zu knüpfen gedachte, an dem sich Luther Whitney selbst erhängen würde. Auch das machte Frank nicht zu schaffen.
Was ihm sehr wohl zu schaffen machte, waren all die Kleinigkeiten, die nach wie vor keinen Sinn ergaben. Die Wunden. Zwei Waffen. Die Kugel aus der Wand. Die klinische
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