Der Präsident
gestiegen, als an der Beifahrerseite ein Mann auftauchte.
Er trug einen Schlapphut und hatte einen graumelierten Vollbart mit einem schmalen Oberlippenbärtchen. Sein brauner Mantel war bis oben zugeknöpft. In einer Hand hielt er ein Diktiergerät, in der anderen einen Presseausweis.
»Bob Gavin, Ms. Whitney. Ich glaube, wir wurden vorhin unterbrochen.«
Nach einem Blick auf Jack zog er überrascht die Brauen hoch. »Sie sind Jack Graham. Luther Whitneys Anwalt. Ich habe Sie auf der Polizeiwache gesehen.«
»Gratuliere, Mr. Gavin. Offenbar haben Sie gute Augen und ein gewinnendes Lächeln. Bis bald.«
Gavin hielt sich am Auto fest. »Einen Augenblick, nur einen kleinen Augenblick. Die Öffentlichkeit hat ein Recht, etwas über diesen Fall zu erfahren.«
Jack wollte etwas erwidern, doch Kate kam ihm zuvor.
»Das wird sie auch, Mr. Gavin. Dafür sind Prozesse da. Ich bin sicher, Sie haben einen Sitz in der ersten Reihe. Auf Wiedersehen.«
Der Lexus fuhr los. Gavin überlegte, ob er zu seinem Wagen sprinten sollte, entschied sich aber dagegen. Mit sechsundvierzig Jahren wandelte er mit seinem schlaffen und nikotinsüchtigen Körper stets im Schatten des Herzinfarkts. Außerdem stand die Sache erst am Anfang. Früher oder später würde er sie erwischen. Er schlug den Kragen hoch, um sich gegen den Wind zu schützen, und stakste davon.
Als der Lexus wieder vor Kates Apartment anhielt, war es fast Mitternacht.
»Bist du sicher, dass du es tun willst, Jack?«
»Ich habe die Deckenmalereien nie wirklich gemocht, Kate.«
»Was?«
»Leg dich schlafen. Wir müssen beide ausgeruht sein.«
Kate griff bereits zur Tür, doch dann zögerte sie. Sie drehte sich um und schaute Jack an, wobei sie nervös die Haare hinters Ohr schnippte. Diesmal entdeckte Jack in ihren Augen keinen Schmerz, sondern etwas anderes, das er nicht genau zu deuten vermochte. War es Erleichterung?
»Jack, was du damals in der Nacht zu mir gesagt hast ...«
Schwer schluckend umklammerte er das Lenkrad. Er hatte sich schon gefragt, wann sie es erwähnen würde. »Kate, ich habe darüber nachgedacht, und –«
Sie legte ihm einen Finger auf den Mund. »Mit vielem hattest du recht, Jack.«
Er sah ihr nach, wie sie langsam im Haus verschwand, dann fuhr er davon.
Als er nach Hause kam, war dem Anrufbeantworter das Band ausgegangen. Die Maschine war so voll, dass die Blinklichtanzeige für hinterlassene Nachrichten nur noch als rotes Dauerlicht erkennbar war. Jack erschien es am sinnvollsten, das Leuchtfeuer zu ignorieren. Er zog den Telefonstecker aus der Wand, schaltete das Licht aus, legte sich ins Bett und versuchte zu schlafen.
Kein leichtes Unterfangen.
Vor Kate hatte er sich so zuversichtlich gegeben. Doch wem wollte er etwas vormachen? Diesen Fall auf eigene Faust anzunehmen, ohne mit irgendjemandem von Patton, Shaw & Lord darüber zu reden, kam beruflichem Selbstmord gleich. Aber was hätte es schon genützt? Die Antwort kannte er ohnehin. Vor die Wahl gestellt, hätten sich die versammelten Teilhaber von PS&L vermutlich lieber die schlaffen Pulsadern aufgeschnitten, als Luther Whitney als Klienten anzunehmen.
Aber Jack war Anwalt, und Luther brauchte einen Anwalt. Entscheidungen wie diese waren niemals so einfach, doch deshalb bemühte er sich ja so krampfhaft, die Dinge so schwarz und weiß wie möglich zu sehen. Gut - böse. Richtig - falsch. Das war nicht einfach für einen Firmenanwalt, der ständig in den Grauzonen des Gesetzes arbeitete und den Standpunkt je nach Klient wechselte, um täglich Honorarnoten ausstellen zu können.
Nun, er hatte seine Entscheidung getroffen. Ein alter Freund kämpfte um sein Leben und hatte Jack um Hilfe gebeten. Für Jack spielte es keine Rolle, dass sein Klient plötzlich unerwartet widerspenstig zu werden schien. Angeklagte in Strafrechtsverfahren zeichneten sich nur selten durch Kooperationsbereitschaft aus. Aber Luther hatte ihn um Hilfe gebeten, nun würde er sie bekommen, so wahr ihm Gott helfe. In diesem Fall gab es kein Grau mehr. Und kein Zurück.
KAPITEL 21 Dan Kirksen schlug die Washington Post auf und wollte gerade einen Schluck Orangensaft trinken. Dazu kam er nicht mehr. Der Fall Sullivan war zwar inzwischen von der Titelseite in den Innenteil gerückt. Doch ein Großteil des heutigen Berichts war der Meldung gewidmet, dass Jack Graham, seit kurzem Teilhaber hei Patton, Shaw & Lord, als Verteidiger des Angeklagten fungierte.
Sofort rief Kirksen bei Jack zu Hause an. Niemand ging
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