Der Präsident
zu röten begann, mit Rumpunsch verwöhnen. Die konsumierten Mengen würden dafür sorgen, dass sie alle betrunken und/oder seekrank sein würden, wenn sie später am Nachmittag wieder am Dock anlegten.
Auf dem Rücksitz des Wagens schmiedeten zwei Ehepaare aus Des Moines eifrig abenteuerliche Pläne. Die Gedanken des älteren Mannes auf dem Beifahrersitz, der stumpf durch die Windschutzscheibe starrte, kreisten um Dinge zweitausend Meilen weiter nördlich. Ein- oder zweimal vergewisserte er sich, wohin sie fuhren; er gab damit dem tiefsitzenden Instinkt nach, seine Umgebung auszukundschaften. Es gab relativ wenig auffällige Landschaftsmerkmale. Die Insel war kaum einundzwanzig Meilen lang und maß an der breitesten Stelle vierzehn Meilen. Eine ständige Brise milderte die nahezu ununterbrochene Hitze von dreißig Grad. Das Geräusch des Windes tauchte letztlich ins Unterbewusstsein, verschwand aber nie zur Gänze, wie ein blasser und dennoch lebendiger Traum.
Das Hotel war ein Hilton und entsprach dem amerikanischen Standard. Es befand sich an einem künstlich angelegten Strand, der sich über eine Seite der Insel erstreckte. Das Personal war gut geschult, höflich und mehr als bereit, sich zurückzuziehen, wenn die Kundschaft dies wünschte. Während sich die meisten Gäste durchaus gern verwöhnen ließen, scheute einer jeden Kontakt. Er verließ das Zimmer nur, um die abgelegenen Gebiete des weißen Strandes oder des hügeligen Geländes auf der Seite zum Atlantischen Ozean entlangzuschlendern. Die übrige Zeit verbrachte er im Hotel. Der Raum war schwach beleuchtet, der Fernseher lief ständig, während sich auf dem Teppich und den Korbmöbeln die Tabletts des Zimmerservice ansammelten.
Am ersten Tag war Luther in ein Taxi vor dem Hotel gestiegen und nach Norden gefahren, fast bis ans Meer, wo auf einem der zahlreichen Hügel der Insel die Villa der Sullivans thronte. Luther hatte nicht rein zufällig Barbados ausgewählt.
»Sie kennen Mr. Sullivan? Er ist nicht da. Zurück nach Amerika geflogen.« Die Worte des Taxifahrers rissen Luther aus seiner Gedankenwelt. Die massiven Eisentore am Fuße des grasbewachsenen Hügels verdeckten eine lange, gewundene Auffahrt zu der Villa, die sich mit lachsfarbenen Stuckaturmauern und fünf Meter hohen Marmorsäulen seltsam in das üppige Grün fügte, wie eine gewaltige lila Rose, die aus einem Busch erblüht.
»Ich war schon einmal in seinem Haus«, antwortete Luther. »In den Vereinigten Staaten.«
Mit neugewonnenem Respekt betrachtete der Taxilenker seinen Fahrgast.
»Ist irgendjemand hier? Vielleicht jemand vom Hauspersonal?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Alle weg. Heut’ morgen.«
Luther sank zurück in den Sitz. Der Grund lag auf der Hand. Man hatte die Dame des Hauses gefunden.
Die nächsten Tage verbrachte Luther auf den strahlend hellen Stränden. Er sah zu, wie ganze Scharen von Passagieren aus Kreuzfahrtschiffen stiegen, um die Duty-Free-Shops heimzusuchen, die überall im Stadtzentrum verstreut waren, während rastalockige Insulaner mit abgewetzten Koffern voller Uhren, Parfums und anderer Plagiate ihre Runden zogen.
Für fünf amerikanische Dollar schnitten die Inselbewohner ein saftiges Aloeblatt auf und füllten die Flüssigkeit in Glasfläschchen. Man konnte sie auftragen, wenn die Sonne der weißen Haut zusetzte, die bisher stets unberührt unter Anzügen und Blusen verborgen gewesen war. Eine handgeflochtene Zopffrisur kostete vierzig Dollar und dauerte etwa eine Stunde. Zahlreiche Frauen mit schwammigen Armen und dicken, unförmigen Füßen lagen geduldig im Sand und ließen die Prozedur über sich ergehen.
Die Schönheit der Insel hätte Luther bis zu einem gewissen Grad aus seiner Melancholie reißen müssen. Und schließlich war es der warmen Sonne, den angenehmen Brisen und dem ungezwungenen Lebenswandel der Insulaner auch gelungen, seine blankliegenden Nerven soweit zu beruhigen, dass er gelegentlich einem Passanten zulächelte, sich einsilbig mit dem Bartender unterhielt und bis tief in die Nacht am Strand lag und Cocktails schlürfte. Die Brandung rauschte in der Dunkelheit und trug ihn sanft von seinem Albtraum fort. In ein paar Tagen hatte er weiterziehen wollen. Er war noch nicht sicher gewesen, wohin.
Doch dann erschien beim Umschalten die CNN-Übertragung auf dem Fernsehschirm, und hilflos wie ein Fisch an der Angel wurde Luther mitten in die entsetzliche Erinnerung zurückgeschleudert, der zu entkommen er mehrere tausend
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