Der Prediger von Fjällbacka
Kommentar.
Auch sie fühlte den Druck, und das letzte, was sie abends vor sich sah, ehe sie die Augen zumachte, war der verzweifelte Ausdruck im Gesicht von Jenny Möllers Eltern, als diese das Verschwinden ihrer Tochter gemeldet hatten.
»Wie geht es dir?« begnügte sie sich teilnehmend zu fragen und schaute Patrik über den Brillenrand hinweg an.
»Ja, wie kann es einem unter diesen Umständen gehen?« Er fuhr sich ungeduldig mit den Händen durchs Haar, worauf sie zu Berge standen wie auf einer Karikatur, die einen verrückten Professor zeigt.
»Beschissen, vermute ich«, sagte Annika ungeniert. Es hatte ihr noch nie gelegen, Dinge zu umschreiben. Wenn etwas scheiße war, dann stank es auch nach Scheiße, selbst wenn man Parfüm darüber kippte.
Patrik lächelte. »Ja, so was in der Art. Aber lassen wir das. Hast du gar nichts in den Registern gefunden?«
»Nein, leider. Im Einwohnermeldeamt stand nichts über weitere Kinder von Johannes Hult, und es gibt nicht so viele andere Stellen, an denen man suchen kann.«
»Könnte es trotzdem Kinder geben, obwohl sie nicht registriert sind?«
Annika sah ihn an, als wäre er ein bißchen schwer von Begriff, und schnaubte: »Ja, Gott sei Dank gibt es kein Gesetz, das die Mutter zwingt anzugeben, wer der Vater ihres Kindes ist, also können sich natürlich Kinder von ihm unter der Rubrik >Vater unbekannt< verbergen.«
»Und, laß mich mal raten, davon gibt es eine ziemliche Anzahl …«
»Nicht unbedingt. Das hängt davon ab, wie weit du die Suche geographisch ausdehnen willst. Hier in der Gegend waren die Leute erstaunlich respektabel. Aber du mußt dir auch im klaren darüber sein, daß wir nicht von den vierziger Jahren reden, sondern Johannes dürfte in den sechziger, siebziger Jahren am aktivsten gewesen sein. Und da war es nicht mehr so eine große Schande, ein uneheliches Kind zu bekommen. In den späten sechziger Jahren sah man darin sogar fast etwas Positives.«
Patrik lachte. »Wenn du von der Woodstock-Ära redest, so glaube ich eigentlich nicht, daß Flower Power und freie Liebe bis Fjällbacka gekommen sind.«
»Sag das nicht, du, auch die stillsten Wasser .«, erwiderte Annika, froh darüber, die Stimmung ein wenig heben zu können. Das Revier hatte in den letzten Tagen wie ein Bestattungsbüro gewirkt. Aber Patrik wurde rasch wieder ernst.
»Du könntest also rein theoretisch eine Liste von Kindern aufstellen, innerhalb von, sagen wir . dem Bezirk Tanum, bei denen kein Vater angegeben ist.«
»Ja, das könnte ich nicht nur theoretisch, sondern sogar rein praktisch tun. Aber das dauert ein Weilchen«, warnte Annika.
»Mach es, so schnell du kannst.«
»Wie willst du vorgehen, um anhand dieser Liste herauszufinden, wer vielleicht Johannes zum Vater hat?«
»Ich habe die Absicht, herumzutelefonieren und einfach zu fragen. Funktioniert das nicht, ja, dann muß ich mir von neuem Gedanken machen.«
Die Tür der Dienststelle öffnete sich, und Martin und Gösta kamen herein. Patrik dankte Annika und ging in den Korridor, um die beiden in Empfang zu nehmen. Martin blieb bei ihm stehen, aber Gösta heftete den Blick auf den Teppich und ging in sein Zimmer.
»Frag nicht«, sagte Martin und schüttelte den Kopf.
Patrik runzelte die Stirn. Reibungen zwischen den Kollegen waren das letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten. Was Lundgren angerichtet hatte, war schlimm genug. Martin sah, was er dachte.
»Es ist nichts Ernstes, kümmere dich nicht darum.«
»Okay. Wollen wir im Pausenraum einen Kaffee trinken und uns ein bißchen abstimmen?«
Martin nickte. Sie gossen sich jeder eine Tasse ein und setzten sich am Eßtisch gegenüber. Patrik fragte: »Habt ihr in Bullaren irgendwelche Spuren von Jacob gefunden?«
»Nein, nichts. Es sieht nicht so aus, als wenn er dort gewesen wäre. Wie ist es bei dir gelaufen?«
Patrik erzählte rasch von dem Besuch im Krankenhaus.
»Aber kannst du begreifen, warum die Tests nichts ergeben haben? Wir wissen, daß der Gesuchte mit Johannes verwandt ist, aber es ist weder Jacob, Gabriel, Johan noch Robert. Und im Hinblick auf die Art der Probe können wir die Damen ja ausschließen. Hast du eine Idee?«
»Ja, ich habe Annika gebeten, mögliche Angaben darüber herauszusuchen, ob Johannes weitere Kinder in der Gegend hat.«
»Das klingt vernünftig. Bei diesem Burschen scheint es ja eher unwahrscheinlich, daß nicht an jeder Ecke uneheliche Kinder von ihm herumspringen.«
»Was hältst du von der Theorie, daß
Weitere Kostenlose Bücher