Der Prediger von Fjällbacka
Tausend Dank!« Patrik knallte das Handy zu und drehte sich zu Martin um, noch immer mit demselben Leuchten im Gesicht.
»Ich weiß, wer Jenny Möller hat! Und du wirst deinen Ohren nicht trauen, wenn du die Geschichte hörst.«
Die Operation war vorüber. Johan war in die Intensivstation gerollt worden und hing dort an Dutzenden Schläuchen, weit weg in seiner eigenen dunklen Welt. Robert saß neben dem Bett, Johans Hand in der seinen. Solveig hatte die beiden widerstrebend verlassen, um auf die Toilette zu gehen, und er hatte seinen Bruder ein Weilchen für sich allein, da man Linda nicht hereingelassen hatte. Sie wollten nicht, daß dort drinnen zu viele Leute auf einmal waren.
Der dicke Schlauch, der in Johans Mund führte, war an einen Apparat angeschlossen, der zischende Geräusche von sich gab. Robert mußte sich beherrschen, um nicht im selben Tempo wie der Respirator zu atmen. Es war, als wollte er Johan beim Luftholen helfen, er würde sonstwas tun, um das Gefühl der Machtlosigkeit zu vertreiben, das ihn zu übermannen drohte.
Mit dem Daumen strich er Johan über die Handfläche. Ihm kam der Gedanke, nachzusehen, wie dessen Lebenslinie aussah, aber das scheiterte daran, daß er nicht wußte, welche der drei deutlich sichtbaren Linien die richtige war. Johans Hand zeigte zwei lange und eine kurze Linie, und Robert hoffte, daß die kurze die Liebeslinie war.
Der Gedanke an eine Welt ohne Johan ließ ihn schwindeln. Er wußte, daß es häufig so wirkte, als sei er der Stärkere von ihnen beiden, der Anführer. Aber die Wahrheit war, daß er ohne Johan nur einen Scheißdreck wert war. Johan hatte eine Sanftheit, die er brauchte, um das Menschliche in sich festzuhalten. So viel von dem Weichen in ihm war verschwunden, als er seinen Vater gefunden hatte, und ohne Johan würde die Härte die Oberhand gewinnen.
Während er da saß, gab er immer weitere Versprechen ab. Er gelobte, alles würde anders werden, wenn Johan nur bei ihm bliebe. Er versprach, nie wieder zu stehlen, sich einen Job zu suchen, sein Leben für etwas Gutes zu benutzen, ja, er versicherte sogar, er würde sich die Haare schneiden lassen.
Das letzte Versprechen gab er nur mit Schaudern ab, aber zu seiner großen Verwunderung schien genau das den Unterschied auszumachen. Ein federleichtes Zittern von Johans Hand, eine nur geringfügige Bewegung des Zeigefingers, als versuchte auch er die Hand des Bruders zu streicheln. Es war nicht viel, aber es war alles, was Robert brauchte. Eifrig wartete er auf Solveigs Rückkehr. Er sehnte sich danach, ihr zu erzählen, daß Johan wieder gesund werden würde.
»Martin, da ruft einer an und sagt, er wüßte etwas über die Mißhandlung von Johan Hult.« Annika hatte den Kopf durch die Türöffnung gesteckt, und Martin blieb stehen und drehte sich um.
»Verdammt, ich habe jetzt keine Zeit.«
»Soll ich ihn bitten, noch mal anzurufen?« fragte Annika verwundert.
»Nein, Scheiße, ich gehe ran.« Martin stürzte in Annikas Büro und nahm ihr den Hörer aus der Hand. Nachdem er ein Weilchen aufmerksam zugehört und ein paar ergänzende Fragen gestellt hatte, legte er auf und rannte zur Tür.
»Annika, Patrik und ich, wir müssen los. Kannst du Gösta Bescheid sagen und ihn bitten, mich auf der Stelle übers Handy anzurufen. Und wo ist Ernst?«
»Gösta und Ernst sind zusammen Mittag essen, aber ich rufe sie übers Handy an.«
»Gut.« Er rannte wieder los. Kurz darauf wurde er von Patrik abgelöst.
»Hast du Uddevalla erreicht, Annika?«
Sie hob den Daumen: »Alles klar, sie sind unterwegs.«
»Super!« Er drehte sich um und wollte gehen, hielt dann jedoch inne. »Du, jetzt brauchst du natürlich nicht noch mehr Arbeit in die Liste der Vaterlosen zu stecken.«
Dann sah sie auch ihn mit raschen Schritten den Korridor hinunter verschwinden. Die Energie in der Dienststelle hatte ein Niveau erreicht, wo sie geradezu greifbar wurde. Patrik hatte ihr hastig erklärt, was los war, und sie fühlte vor Spannung ein Kribbeln in Händen und Beinen. Es war befreiend, mit der Ermittlung endlich voranzukommen, und jetzt war jede Minute wichtig. Sie winkte Patrik und Martin zu, die vor der Glasscheibe vorbeigingen und durch die Eingangstür verschwanden. »Viel Glück!« rief sie, war sich aber nicht sicher, ob sie es gehört hatten. Eilig wählte sie Göstas Nummer.
»Ja, das ist doch zum Kotzen, Gösta. Hier sitzen wir beide nun, während die Rotzbengel regieren.« Ernst war wieder bei seinem
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