Der Prediger von Fjällbacka
Lieblingsthema, und Gösta mußte sich eingestehen, daß es allmählich ziemlich langweilig wurde, sich immer dasselbe anzuhören. Daß er vorhin auf Martin sauer gewesen war, hatte vor allem daran gelegen, daß er von jemandem zurechtgewiesen worden war, der bloß halb so alt war wie er selbst. Im nachhinein fand er die Sache nicht mehr so schlimm.
Sie waren mit dem Wagen nach Grebbestad gefahren und saßen im Restaurant »Telegrafen« beim Mittagessen. Das Angebot in Tanum war nicht sonderlich groß, also bekam man es ziemlich bald satt, und Grebbestad lag nur zehn Minuten entfernt.
Plötzlich klingelte Göstas Telefon, das vor ihm auf dem Tisch lag, und sie sahen beide auf dem Display, daß es die Nummer der Zentrale ihrer Dienststelle war.
»Scheiße, geh nicht ran. Auch du darfst ja wohl ein Weilchen in Ruhe essen.« Ernst streckte die Hand aus, um das Gespräch wegzudrücken, aber ein Blick seines Kollegen stoppte ihn mitten in der Bewegung.
Es herrschte voller Mittagsbetrieb, und einige der Gäste starrten verärgert auf die Person, die sich erdreistete, mitten im Restaurant ein Gespräch anzunehmen, also starrte Gösta zurück und sprach extra laut. Als das Telefonat beendet war, legte er einen Geldschein auf den Tisch, erhob sich und forderte Ernst auf, dasselbe zu tun.
»Wir haben was zu erledigen.«
»Kann das denn nicht warten? Ich hatte ja noch nicht mal meinen Kaffee nach dem Essen«, sagte Ernst.
»Den mußt du dann auf dem Revier trinken. Jetzt sollen wir uns einen Burschen greifen.«
Zum zweitenmal am selben Tag fuhr Gösta nach Bullaren, diesmal saß er selbst am Steuer. Er informierte Ernst über das, was Annika berichtet hatte, und als sie nach einer halben Stunde dort ankamen, wartete an der Straße, ein Stück vom Hof entfernt, denn auch ein junger Bursche auf sie.
Sie hielten an und stiegen aus.
»Bist du Lelle?« fragte Gösta.
Der Bursche nickte. Er war groß und kräftig, mit Ringernacken und gewaltigen Fäusten. Wie geschaffen dafür, Türsteher zu sein, dachte Gösta. Oder Handlanger wie in diesem Fall. Doch anscheinend ein Handlanger mit Gewissen.
»Du hast uns angerufen, jetzt darfst du reden«, sagte Gösta weiter.
»Ja, es ist das beste für dich, wenn du sofort den Mund aufmachst«, ergänzte Ernst streitlustig, und Gösta warf ihm einen warnenden Blick zu. Diese Aufgabe erforderte von ihnen keine Kraftdemonstration.
»Ja, wie ich zu der Frau auf dem Revier gesagt habe, so haben Kennedy und ich gestern eine blöde Sache gemacht.«
Eine blöde Sache, dachte Gösta. Der Bursche neigte wahrhaftig zu Untertreibungen.
»Und?« fragte er auffordernd.
»Wir haben den Kerl ein bißchen verprügelt, also den, der mit Jacob verwandt ist.«
»Johan Hult.«
»Ja, ich glaube, er hieß Johan.« Seine Stimme wurde schrill.
»Ich schwöre, ich habe nicht gewußt, daß Kennedy so brutal auf ihn eindreschen würde. Er wollte ihn nur zur Rede stellen, hat er gesagt, und ihm ein bißchen drohen. Nichts Schlimmeres.«
»Aber so ist es nicht gekommen.« Gösta versuchte väterlich zu klingen. Das gelang ihm nicht sonderlich gut.
»Nein, er ist völlig ausgerastet. Quasselte die ganze Zeit, wie verdammt gut Jacob ist und daß Johan es Jacob irgendwie versaut hat und irgendwelche Lügen erzählt hat, und Kennedy wollte, daß er sie zurücknimmt, und als Johan nein gesagt hat, da ist Kennedy total ausgeflippt und hat massig auf ihn eingeprügelt.«
Er mußte aufhören, um Luft zu holen. Gösta glaubte, daß er ihm hatte folgen können, aber ganz sicher war er sich nicht. Daß diese jungen Leute heutzutage nicht vernünftig reden konnten!
»Und was hast du in der Zwischenzeit gemacht? Ein bißchen im Garten gewühlt?« fragte Ernst höhnisch. Erneut ein warnender Blick von Gösta.
»Ich habe ihn festgehalten«, sagte Lelle kleinlaut. »Ich hielt seine Arme gepackt, damit er nicht zurückschlagen konnte, aber Scheiße, ich wußte ja nicht, daß Kennedy total durchdrehen würde. Wie konnte ich das wissen?« Er sah Ernst und Gösta an. »Was passiert jetzt? Darf ich jetzt nicht mehr hier bleiben? Komme ich jetzt ins Gefängnis?«
Der große coole Bursche war dem Heulen nahe. Er wirkte wie ein kleiner verängstigter Junge, und Gösta mußte sich nicht länger anstrengen, um väterlich zu klingen, es ging ganz von selbst.
»Das müssen wir später sehen. Irgendwie lösen wir das schon. Im Augenblick ist es das wichtigste, daß wir mit Kennedy reden. Entweder kannst du hier warten,
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