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Der Prediger von Fjällbacka

Der Prediger von Fjällbacka

Titel: Der Prediger von Fjällbacka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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nicht ihr. Was auch immer geschehen mochte, sie jedenfalls würde dieses Gefühl nie wieder verspüren.
    Sie lag auf der Seite und kratzte mit der ausgestreckten Hand in der Erde. Der andere Arm war nicht zu gebrauchen, und sie zwang sich, den gesünderen Arm zu bewegen, um die Blutzirkulation in Gang zu halten. Sie träumte davon, sich wie eine Filmheldin auf den Mann zu werfen und ihn zu überwältigen, wenn er zu ihr herunterkam. Sie würde ihn bewußtlos auf dem Boden zurücklassen und nach draußen zu dem Aufgebot der Polizeikräfte fliehen, das sie überall gesucht hatte. Doch war das völlig unmöglich, denn ihre Beine versagten ihr längst den Dienst, aber es war ein wunderbarer Traum.
    Das Leben verließ sie ganz langsam, und sie hatte die Vorstellung, daß es in der Erde versickerte und den Organismen dort unten Stärke gab. Würmern und Larven, die ihre Lebensenergie gierig aufsogen.
    Als die letzten Kräfte schwanden, dachte sie daran, daß sie nie die Chance haben würde, um Verzeihung zu bitten, weil sie in den vergangenen Wochen so unerträglich gewesen war. Sie hoffte, daß sie es dennoch verstanden.
     
    Er hatte die ganze Nacht mit ihr in den Armen da gesessen. Sie war langsam kälter und kälter geworden. Die Dunkelheit um sie herum war kompakt. Er hoffte, daß dieses Dunkel ihr genausoviel Trost und Geborgenheit gegeben hatte wie ihm. Es wirkte wie eine große schwarze Decke, die ihn einhüllte.
    Eine Sekunde lang sah er die Kinder vor sich. Aber dieses Bild erinnerte ihn allzu sehr an die Wirklichkeit, und er verscheuchte es.
    Johannes hatte den Weg gewiesen. Er, Johannes und Ephraim. Sie waren eine Dreieinigkeit, das hatte er immer gewußt. Sie teilten eine Gabe, die Gabriel nie besitzen durfte. Deshalb würde er nie verstehen. Er, Johannes und Ephraim. Sie waren einzigartig. Sie standen Gott näher als alle anderen. Sie waren etwas Besonderes. Das hatte Johannes in seinem Buch geschrieben.
    Es war kein Zufall, daß er das schwarze Notizbuch von Johannes gefunden hatte. Etwas hatte ihn dorthin geführt, hatte ihn wie ein Magnet angezogen, und er betrachtete das Buch als Johannes’ persönliches Vermächtnis an ihn. Er war tief berührt von dem Opfer, das Johannes bereit gewesen war zu bringen, um ihm das Leben zu retten. Wenn jemand verstand, was Johannes hatte erreichen wollen, dann war er das. Welche Ironie, daß es sich als unnötig erwiesen hatte. Großvater Ephraim war gekommen, um ihn zu retten. Es schmerzte ihn, daß Johannes gescheitert war. Es war traurig, daß die Mädchen hatten sterben müssen. Aber er hatte mehr Zeit zur Verfügung als Johannes. Ihm würde es nicht mißlingen. Er würde es immer wieder versuchen, bis er den Schlüssel zu seinem inneren Licht gefunden hatte. Jenes Licht, von dem Großvater Ephraim gesagt hatte, er besitze es ebenfalls, tief in sich verborgen. Genau wie Johannes, sein Vater.
    Bedauernd strich er dem Mädchen über den kalten Arm. Es war nicht so, daß er ihren Tod nicht beklagte. Aber sie war nur ein gewöhnlicher Mensch, und Gott würde ihr einen besonderen Platz einräumen, weil sie sich für ihn, einen von Gottes Auserwählten, geopfert hatte. Ein Gedanke meldete sich: Vielleicht erwartete Gott ja eine bestimmte Anzahl Opfer, bevor er Jacob gestattete, den Schlüssel zu finden. Vielleicht war es bei Johannes genauso gewesen. Es ging nicht darum, daß sie gescheitert waren, es war nur so, daß ihr Herr mehr Beweise ihres Glaubens erwartete, bevor er ihnen den Weg zeigte.
    Dieser Gedanke gab Jacob erneut Hoffnung. So mußte es sein. Er selbst hatte schon immer mehr an den Gott des Alten Testamentes geglaubt. Den Gott, der Blutopfer verlangte.
    Eine Sache ließ seinem Bewußtsein keine Ruhe. Würde Gott ihm verzeihen, obwohl er der Fleischeslust nicht hatte widerstehen können? Johannes war stärker gewesen. Ihn hatte es nie verlockt, und dafür bewunderte ihn Jacob. Er selbst hatte die weiche zarte Haut an der seinen gespürt, und tief in ihm war etwas erwacht. Einen kurzen Augenblick hatte der Teufel ihn übermannt, und er hatte nachgegeben. Doch danach war seine Reue so tief gewesen, das mußte Gott ja wohl gesehen haben? Er, der ihm direkt ins Herz schauen konnte, mußte gesehen haben, daß seine Reue aufrichtig war, und ihm die Sünden verziehen haben.
    Jacob wiegte das Mädchen in seinen Armen. Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Wie schön sie war. Sofort, als er sie an der Straße gesehen hatte, den Daumen hochgereckt, um

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