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Der Prediger von Fjällbacka

Der Prediger von Fjällbacka

Titel: Der Prediger von Fjällbacka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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»Antiquitätenrunde« verpaßt hatte, kamen seine Gedanken bei der Betrachtung des alten Stücks ganz von selbst auf Geheimfächer. Daß er nicht vorher daran gedacht hatte! Er begann mit dem Aufsatz auf der Schreibplatte, der jede Menge kleiner Schubladen enthielt. Er zog eine nach der anderen heraus und tastete den Hohlraum vorsichtig ab. Als er bei der letzten Schublade angekommen war, fühlte er triumphierend, daß da etwas war. Ein kleiner Metallstift ragte hervor, und als er darauf drückte, gab er nach. Mit einem Plopp öffnete sich die Wand im Hohlraum, und ein Geheimfach wurde sichtbar. Sein Puls beschleunigte sich. Er sah, daß dort ein altes Notizbuch aus schwarzem Leder lag. Er zog die Plastikhandschuhe aus der Tasche, streifte sie über und nahm das Buch vorsichtig heraus. Mit steigendem Entsetzen las er dessen Inhalt. Jetzt drängte es, Jenny Möller zu finden.
    Er erinnerte sich an ein Papier, das er beim Durchsuchen des Sekretärs gesehen hatte. Er zog die richtige Schublade auf und fand es nach kurzem Blättern auch. Das Logo der Regionalverwaltung in der oberen Ecke verkündete, wer der Absender war. Patrik überflog die wenigen Zeilen und las den Namen, der ganz unten stand. Dann nahm er sein Handy und rief auf dem Revier an.
    »Annika, hier ist Patrik. Du, ich möchte, daß du eine Sache für mich untersuchst.« Er erklärte kurz, worum es ging. »Du mußt mit einem Doktor Zoltan Czaba sprechen. In der Krebsabteilung, ja. Ruf mich zurück, sobald du etwas weißt.«
    Die Tage hatten sich unendlich in die Länge gestreckt. Mehrmals täglich hatten sie voller Hoffnung bei der Polizei angerufen, doch vergeblich. Als Jennys Gesicht auf den Zeitungsseiten aufgetaucht war, hatten ihre Handys ununterbrochen geklingelt. Freunde, Verwandte, Bekannte. Alle waren bestürzt, aber versuchten trotz der eigenen Unruhe, Kerstin und Bo Hoffnung zuzusprechen. Einige hatten sich angeboten, nach Grebbestad zu kommen, um bei ihnen zu sein, doch sie hatten freundlich, aber entschieden abgelehnt. Es war, als würde es dann erst recht greifbar werden, daß etwas nicht stimmte. Wenn sie nur hier im Wohnwagen blieben, sich an dem kleinen Tisch gegenübersaßen und warteten, würde Jenny früher oder später durch die Tür treten, und alles nähme wieder seinen gewohnten Gang.
    Also saßen sie hier, Tag für Tag, gefangen in ihrer eigenen Unruhe. Der heutige Tag war noch quälender als die vorhergehenden. Die ganze Nacht hatte Kerstin unruhige Träume gehabt. Schweißüberströmt hatte sie sich im Schlaf hin und her gewälzt, während Bilder, die schwer zu deuten waren, hinter ihren Lidern vorüberflimmerten. Mehrmals hatte sie Jenny gesehen. Meist als Kind. Zu Hause auf dem Rasen vor dem Haus. An einem Badestrand beim Camping. Aber diese Bilder wurden die ganze Zeit von dunklen, merkwürdigen Szenen abgelöst, die sie nicht zu deuten vermochte. Es war kalt und dunkel, und irgend etwas lauerte am Rand, das sie nie zu fassen bekam, obwohl sie sich im Traum immer wieder danach ausstreckte.
    Als sie am Morgen aufwachte, wurde ihr immer schwerer ums Herz. Während die Stunden vergingen und die Temperatur in dem kleinen Wohnwagen stieg, saß sie schweigend vor Bo und suchte verzweifelt das Gefühl heraufzubeschwören, das sie gehabt hatte, wenn sie die kleine Jenny in den Armen hielt. Aber genau wie im Traum war es, als würde all das außerhalb ihrer Reichweite liegen. Sie erinnerte sich an das Gefühl, das sie seit Jennys Verschwinden so stark empfunden hatte, aber konnte es nun nicht länger spüren. Langsam kam ihr die Erkenntnis. Sie hob den Blick von der Tischplatte und schaute ihren Gatten an. Dann sagte sie: »Jetzt ist sie nicht mehr da.«
    Er stellte das, was sie sagte, nicht in Frage. Sobald sie es ausgesprochen hatte, fühlte auch er, daß es die Wahrheit war.
     
    12
     
    Sommer 2003
    Die Tage verschwammen wie im Nebel. Sie litt auf eine Weise, die sie sich nie hätte vorstellen können, und sie konnte nicht aufhören, sich selbst zu verfluchen. Wenn sie nur nicht so dumm gewesen wäre zu trampen, dann wäre das nie passiert. Mama und Papa hatten ihr so oft gesagt, daß man in kein fremdes Auto einsteigen dürfe, aber sie hatte gedacht, sie sei unverwundbar.
    Das schien so unendlich lange her zu sein. Jenny versuchte jenes Gefühl wieder heraufzubeschwören, um es nur eine Sekunde lang zu genießen. Dieses Gefühl, daß nichts auf der Welt ihr etwas anhaben konnte, daß schlimme Dinge zwar anderen passierten, aber

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