Der Preis der Ewigkeit
meinen Händen. Mir war völlig egal, wer aus diesem Kräftemessen als Sieger hervorginge; ich wollte einfach nur, dass Calliope diese Klinge von Milos Hals nahm.
„Calliope, du willst das nicht tun“, raunte Ava und schob sich näher an sie heran. Mit gefletschten Zähnen wirbelte die Götterkönigin herum, Milo fest an ihre Brust gedrückt.
„Wage es ja nicht, deine Kräfte gegen mich einzusetzen“, grollte sie. Dann hob sie wieder den Dolch und setzte die Spitze auf Milos Brust. „Was darf’s sein, Kronos? Deine Abmachung oder meine Gefolgschaft?“
„Bitte“, flehte ich. „Calliope, ich mach alles, was du willst, aber tu ihm nicht weh. Er ist unschuldig. Du kannst … du kannst alles von mir haben, aber bitte … bitte bring ihn nicht um.“
Calliope verengte die Augen. „Dich hab ich nicht gefragt“, spie sie mir entgegen, und zerrissen zwischen Herzschmerz und Zorn, ballte ich die Hände zu Fäusten. Sie würde ihn töten. Calliope würde meinem Sohn das Leben nehmen und ich stand hier rum und versuchte zu verhandeln.
Wenn sie einen Kampf wollte, würde ich ihr genau das geben.
Unvermittelt ging ich auf sie los, konzentrierte all die aufgestaute Wut in mir, aber ich war nicht schnell genug. Kronos packte mich bei den Schultern und zog mich an seine Brust, und egal, wie sehr ich mich auch wehrte, ich kam nicht los.
„Ich werde Kate gegenüber mein Wort nicht brechen“, erklärte Kronos ohne jede Regung, während ich ihm einen Ellbogen in den Bauch rammte. Doch es bewirkte gar nichts. Genauso gut hätte ich gegen eine Steinfigur kämpfen können. „Tu, was du tun musst, aber sei dir einer Tatsache bewusst: Unser Bündnis steht und fällt mit dem Leben dieses Babys.“
Zum ersten Mal in jener Nacht glaubte ich, eine Spur von Schmerz in der Art zu entdecken, wie Calliope die Stirn runzelte, doch einen Sekundenbruchteil später war es auch schon wieder vorbei. „Du hast dich also für Kate entschieden“, stellte sie fest, wobei sie ihm meinen Namen praktisch vor die Füße spuckte. „Dann spielt es ja wohl kaum eine Rolle, was ich mache, nicht wahr? Deine Treue wird niemals mir gelten und meine gilt von nun an nicht länger dir.“
Sie hob den Dolch und ein Schrei brach aus meiner Brust und hallte durch den Palast. Ich konnte nicht hinsehen, doch genauso wenig konnte ich in den letzten Sekunden von Milos kurzem Leben den Blick abwenden, wollte ihn nicht im Stich lassen.
Die Welt verdunkelte sich an den Rändern, und einen herrlichen Moment lang glaubte ich, ich würde sterben. Mein Körper wurde taub, mein Geist verfiel in absolute Stille und jene Sekunde hing wie erstarrt zwischen uns. Ich würde auf ewig mit dieser Angst leben, wenn das bedeutete, dass dieser Moment niemals endete – dass Calliope die Klinge niemals niederfahren ließ, dass Milo niemals starb, dass wir alle bis in alle Ewigkeit genau so blieben.
Ein blendend weißer Blitz riss mich aus meinem Traumzustand und eine mit unglaublicher Macht aufgeladene Düsternis senkte sich über uns.
„Calliope“, dröhnte eine nur allzu vertraute Stimme und mir wurde das Herz schwer. „Leg den Dolch weg und gib mir meinen Sohn.“
Das war Henry.
Es hätte mir nicht möglich sein sollen, noch größere Angst zu verspüren als sowieso schon. Aber jetzt, beim Anblick meines Mannes, wie er eingehüllt in jene schwarze Wolke durch den Korridor heranglitt, packte mich pures Entsetzen und ließ mich nicht mehr los.
Ich würde sie beide verlieren.
Diesmal versuchte Calliope gar nicht erst, ihren Schock zu verbergen. Ihr fiel die Kinnlade herunter, aber gleichzeitig senkte sie auch den Dolch. „Henry“, sagte sie. „Was für eine unerwartete Überraschung. Dabei hat Vater mir erzählt, du wärst tot.“
Wütend starrte sie zu Kronos hinüber, und seine Umklammerung wurde noch fester, bis er nur noch Millimeter davon entfernt war, meine Knochen zu Staub zu zermalmen. Der Druck war enorm, so viel mehr, als ich in meinem menschlichen Leib ausgehalten hätte, aber ich spürte keinen Schmerz. Noch nicht.
„Du hast mich angelogen“, flüsterte Kronos mir ins Ohr und seine Bösartigkeit vibrierte förmlich in der Luft um uns herum. „Nach allem, was ich für dich getan habe, ist das der Lohn. Lug und Trug.“
Ich schluckte schwer. Von nun an gab es keine Geheimnisse mehr. Kronos und Calliope wussten, wie viele wir wirklich waren, und selbst wenn sie uns durch irgendein Wunder nicht umbrachten, hätten wir den Überraschungsvorteil
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