Der Preis der Ewigkeit
verloren. Alle Karten waren auf dem Tisch, jetzt konnten wir nur noch spielen.
„Gib mir meinen Sohn“, wiederholte Henry. Jetzt war er keinen halben Meter mehr von mir entfernt, aber er schenkte mir nicht einen Blick. War er wütend? Verletzt, dass ich einfach abgehauen war? Aber er hatte es gewusst. Er hatte es die ganze Zeit gewusst, also warum …
Dies war sein Plan. Was auch immer gerade vorging, was er auch plante, er versuchte wieder, mich zu beschützen.
„Henry, nein“, keuchte ich und Kronos hielt mir den Mund zu.
„Und was kriege ich dafür?“, entgegnete Calliope, den Blick gierig auf Henry gerichtet.
„Mich“, antwortete Henry ruhig. „Gib mir meinen Sohn, schwör beim Styx, dass du ihm niemals Schaden zufügen wirst, auf welche Art auch immer, und du bekommst mich.“
Nein, nein, nein. Henry sollte doch bei Milo bleiben und für seine Sicherheit sorgen. Denn dazu war ich nicht fähig, nicht so wie er. Ich musste hierbleiben. Verzweifelt versuchte ich, zu protestieren, wimmernd und schreiend und strampelnd in Kronos’ Klauen, doch Henry ignorierte mich völlig.
„Damit wären die Bedingungen unserer Abmachung erfüllt“, meldete sich Kronos und ich erstarrte. „Das Baby wird bei seiner Familie aufwachsen, wie Kate es verlangt hat, und sie wird mir gehören.“
Nein, so lautete unsere Abmachung nicht. Nicht einmal annähernd. Milo sollte sicher auf dem Olymp sein, bei Henry und James und meiner Mutter, nicht – nicht das hier. Doch ich konnte nicht sprechen und niemand achtete auf mich. Henry nickte knapp und in diesem Augenblick brach mir das Herz.
„Also gut“, sagte Calliope, doch trotz der Tatsache, dass sie alles bekommen würde, was sie wollte, lag etwas Scharfes in ihrem Ton, eine Härte, die ich nicht verstand. Sie hätte vor Freude tanzen sollen. Ich war vernichtet. Mir blieb nichts, alles gehörte jetzt ihr. „Ich schwöre beim Styx, dass ich diesem Baby keinen Schaden zufügen werde, solange du bei mir bleibst.“
„So sei es.“ In Henrys Stimme schwang ein leises Donnergrollen mit und mir verschwamm alles vor Augen. Es musste doch einen Ausweg geben – das konnte unmöglich das sein, was Henry vorgeschwebt hatte. Niemals würde er mich auf solche Weise verlassen.
Aber war ich nicht selbst dazu bereit gewesen, ihn zu verlassen?
„Perfekt“, flötete Calliope, und ohne den Blick von Henry zu lösen, befahl sie Ava: „Tu es.“
„Aber …“, wandte Ava ein, als sie der Mut verließ.
„Tu es.“
Was sollte sie tun?
Auf die Antwort musste ich nicht lange warten. Die pinke Aura um Ava herum dehnte sich aus, bis sie Henry berührte, und schlug wie ein Blitz in Calliopes Leib. Doch statt aufzuschreien, grinste sie nur noch breiter.
„Da hast du’s“, sagte Ava und ihre Stimme zitterte. „Jetzt lass Kate und das Baby gehen.“
„Du hast doch gehört, was Kronos gesagt hat“, entgegnete Calliope, den Blick immer noch starr auf Henry gerichtet, während sie einen Schritt in seine Richtung machte. „Das Baby bleibt bei Henry. Aber wenn du darauf bestehst, lasse ich ihn entscheiden. Henry, Liebling.“ Mein Herz hämmerte gegen meine Rippen. „Mit wem willst du zusammen sein? Mit mir oder mit Kate?“
Sollte das ein Witz sein? Natürlich wollte Henry mit mir zusammen sein, vor allem wenn wir eine richtige Familie sein konnten. Doch Henry trat auf Calliope zu und meine Augen wurden groß. Er legte ihr eine Hand an die Wange, auf jene vertraute Weise, wie er mich immer berührte, und dann …
Schlossen sich seine Augen, und er beugte sich hinab, um sie zu küssen.
Was hatte Ava getan?
Blöde Frage. Ich wusste genau, was sie getan hatte. Und was auch immer ihre Gründe dafür waren, womit auch immer Calliope sie bedrohte, wie oft sie auch meinen weinenden Sohn im Arm gehalten hatte – niemals würde ich ihr vergeben, dass sie Henry dazu gebracht hatte, sich in Calliope zu verlieben.
Kronos wich zurück und nahm mich mit sich. Panik überrollte mich, ließ keinerlei Raum für rationales Denken, und wie wild riss ich an seinen Händen und Armen, versuchte verzweifelt, mich zu befreien. Ich konnte nicht fort, nicht jetzt. Nicht wenn mein Ehemann glaubte, er würde eine andere Frau lieben.
Als Calliope sich von Henry löste, beäugte sie mich angewidert. Wütend erdolchte ich sie mit Blicken. Diese Schlampe. „Nein, geh noch nicht“, befahl sie in einem königlichen Tonfall, für den Kronos sie noch zwei Minuten zuvor zermalmt hätte. Er blieb stehen
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