Der Preis der Liebe
Vielleicht. Ein Mann, der dem Tod ein Schnippchen schlagen wollte, würde wahrscheinlich alles behaupten.
Die Stimme des Earl nahm einen flehenden Unterton an. „Verstehst du denn nicht, Leonard? Ich liebe meine Töchter ebenso sehr wie du deinen Sohn. Ich musste doch erst dafür sorgen, dass meine Mädchen versorgt sind.“ Er hustete. „Was soll denn sonst aus ihnen werden, wenn ich tot bin?“
Dieses Mal gab es keinen Zweifel an der Aufrichtigkeit des Earl. Griffith’ schlechtes Gewissen regte sich. Wie konnte es angehen, dass er die Motive des Earl, die er früher für so niederträchtig gehalten hatte, jetzt beinahe nachvollziehen konnte?
„Ich glaube, du wirst mit meiner Rosalind für deinen Sohn sehr einverstanden sein“, fuhr der Earl leise fort. Er holte tief Luft und hustete erneut. „Sie hat ein höllisches Temperament und ist auch nicht so hübsch wie meine Jüngste, aber ..."
„Rosalind ist ein Engel!“ brauste Griffith auf. „Sie ist eine viel bessere Tochter, als du verdient hast!“
Der alte Mann wirkte sichtlich erstaunt. „Also kennst du sie? Nun ja, ein Geist kennt wahrscheinlich jeden Menschen. Kein Wunder, dass du sie magst, sie hat sehr große Ähnlichkeit mit Georgina, als sie jung war.“
„Georgina?“ wiederholte Griffith leise. Ihm fiel ein, dass der Earl - laut Daniel - seine Mutter kannte.
Der Kranke setzte sich wieder etwas auf, um besser Luft zu bekommen. „Ich hasse dich nicht mehr dafür, dass du sie für dich gewonnen hast. Nachdem ich Solange gefunden hatte, konnte ich auch ohne Georgina glücklich sein. Immerhin hat mir Solange meine drei Mädchen geschenkt.“
Griffith verstand gar nichts mehr. Was meinte der alte Gauner damit - ohne Georgina?
Ein Schatten huschte über die Züge des Earl. „Aber anfangs, nachdem du sie mir weggenommen hattest, konnte ich das nicht ertragen. Sonst hätte ich wohl auch nie so voreilig gehandelt. Bestimmt kannst du nachvollziehen, was an jenem Tag in mir vorging ... Als ich kam, um mir deinen neugeborenen Sohn anzusehen, das Kind, das einen Schlussstrich unter meine Zukunft zog. Du standest kurz davor, den Titel und Swan Park zu übernehmen. Nach dir würde dein Sohn das alles bekommen. Und dann hattest du auch noch die Frau, die ich liebte.“
Der Earl hatte Mutter geliebt? Und davon hatte Griffith nichts gewusst? Mutter hatte nie darüber gesprochen. Aber vielleicht hatte ja auch sie nichts davon geahnt. Griffith hielt den Atem an. Er hatte Angst, der Earl könne aufhören zu reden. Und gleichzeitig fürchtete er sich davor, dass er weitersprach.
Der Earl starrte an Griffith vorbei, als blicke er zurück in die Vergangenheit. „Und ich? Ich hatte nichts. Du hattest Georgina, und ich hatte nichts.“
Griffith zuckte innerlich zusammen. Er wusste, wie es war, mit leeren Händen dazustehen. Doch dann ärgerte er sich über dieses plötzlich aufwallende Mitgefühl. Schließlich war es doch dieser Mann hier selbst gewesen, der Griffith mit leeren Händen hatte dastehen lassen!
„Du hättest mich niemals zu euch einladen dürfen“, keuchte der Earl. Griffith musste sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass der Mann ihn für seinen Vater hielt. „Es war zu verlockend, zu einfach, eure Heiratsurkunde zu stehlen, als du gingst, um das Baby zu holen.“
„Und du musst auch gewusst haben, dass das Haus in Gretna Green, wo man eine Abschrift der Heiratsurkunde aufbewahrte, abgebrannt war“, stellte Griffith fest. Es war faszinierend zu hören, wie sich sein Verdacht Stück für Stück bestätigte.
Swanlea nickte. „Der alte Earl hatte es mir gesagt. Außerdem war ich mir ziemlich sicher, dass man eure Trauzeugen niemals ausfindig machen würde.“
Nein, dachte Griffith grimmig, nicht in Gretna Green, wo in der Regel Fremde als Trauzeugen fungierten.
Der Earl konnte nur noch murmeln. „Was ich getan habe, war schändlich, ich weiß. Wie oft habe ich mir das in den letzten dreißig Jahren vor Augen gehalten. Aber ich ging doch davon aus, du würdest leben, verdammt! Niemand konnte ahnen, dass du so jung sterben würdest! Ich dachte, sobald der alte Earl stirbt, würdest du bis an dein Lebensende den Titel tragen. Danach jedoch würde er auf einen Nachkommen von mir übergehen. Das wäre nur gerecht.“
Swanlea nickte, als sei er von der Richtigkeit seiner verdrehten Logik überzeugt. „Ich sagte mir, er hat mir Georgina weggenommen, also sollten sich unsere Familien den Titel teilen. Bis Leonard stirbt, wird sein Sohn
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