Der Preis der Liebe
länger als schicklich umfangen gehalten und dabei geraunt, dass ihr Anblick -rittlings zu Pferd - ihn überaus erregte. Voller Scham war ihr aufgefallen, dass nicht nur ihre Wangen zu glühen begonnen hatten.
Jetzt saß sie in der Nähe des Billardtisches am östlichen Ende der langen Galerie im ersten Stock, die die beiden Flügel des Hauses miteinander verband. Griffith spielte gegen Juliet, während Mr. Knighton von einem Sessel aus Juliet anfeuerte. Fast hätte Rosalind sie alle sich selbst überlassen, weil sie keine Lust hatte, weiterhin das Opfer von Griffith’ Anzüglichkeiten zu sein, doch dann war ihr klar geworden, dass er damit nur sein Ziel erreicht hätte, sie in die Flucht zu schlagen. Ihr Stolz verbot ihr, ihm diese Genugtuung zu verschaffen.
Der Tisch war schon sehr alt. Papa hatte ihn bereits geraume Zeit vor ihrer Geburt gekauft. Er und Mama hatten oft Billard gespielt, das wusste sie noch - es war eine süße, verschwommene Erinnerung aus ihrer Kindheit. Papa hatte gelacht und Mama aufgezogen, während Helena gebettelt hatte, auch mitspielen zu dürfen, mit ihren neun Jahren sei sie schließlich alt genug dafür.
Nach Mamas Tod hatte Papa den Tisch nicht mehr benutzt. Rosalind vermutete, dass zu schmerzhafte Erinnerungen in ihm aufgestiegen wären, wenn er es getan hätte. Aber die drei Mädchen hatten alle Billard gespielt. Welch besseren Zeitvertreib hätte man sich auch vorstellen können, in den langen Wintermonaten, wenn sogar das Lesen allmählich langweilig wurde und kaum Besucher ins Haus kamen? Leider hatte Helena nach ihrer Erkrankung behauptet, nicht mehr spielen zu können, doch Juliet und Rosalind ließen sich nicht davon beirren. Sie spielten weiterhin Billard, obwohl Juliet es nie wirklich beherrscht hatte, wohingegen Rosalind sich recht geschickt anstellte. Allerdings hatte sich ihr an diesem Nachmittag noch nicht die Gelegenheit geboten, ihr Können unter Beweis zu stellen.
Und Griffith beim Spiel zu beobachten erwies sich zunehmend als Qual. Seine geschickte Art, mit dem Queue umzugehen, seine angespannten Muskeln, wenn er sich über den Tisch beugte, sein leises, triumphierendes Lachen, wenn er gewann: All das regte ihre Fantasie auf höchst unangenehme Weise an. Plötzlich hielt er nicht den Queue, sondern ihre Taille umfasst, er beugte sich auch nicht über den Tisch, um die Kugel anzustoßen, sondern über ihren Körper, um ihn zu liebkosen und zu küssen. Und aus seinem leisen, triumphierenden Lachen wurde ein Aufstöhnen des Verlangens, während er sich über sie ...
Großer Gott, dachte sie und errötete heftig. Warum kam sie nur nicht gegen diese skandalösen Fantasien an? Sie wusste, warum. Alle seine Widersprüchlichkeiten - sein familiärer Hintergrund, seine Sprache und sein Benehmen - faszinierten sie. Im einen Moment wirkte er wie ein Gentleman, im nächsten wie ein Schurke. Es verstörte sie mehr und mehr, dass sie ihn nicht einzuordnen vermochte.
Nun, zumindest schlich er nicht mehr heimlich durchs Haus. Vielleicht hatte sie sich das Ganze ja auch nur eingebildet. Hatte er in der ersten Nacht, als sie sich begegnet waren, tatsächlich nur nach Zigarren gesucht? Und war er dann in seinem Stolz verletzt worden, als sie darauf bestanden hatte, ihn nicht mehr aus den Augen zu lassen? War das der Grund, dass er sich solche Mühe gab, sie loszuwerden?
Möglich war es, aber es kam ihr eher unwahrscheinlich vor. Andererseits ... warum hatte er sich nicht entschiedener gegen die von ihr befohlenen Einschränkungen gewehrt? Zwar zog er sich jeden Nachmittag zum Arbeiten in sein Zimmer zurück, aber John blieb die ganze Zeit auf seinem Posten, genau vor der Tür. Ein anderer Lakai übernahm dann die Nachtwache. Natürlich hätte es sein können, dass die Männer bei der Wache ab und zu einschliefen, aber Rosalind hatte sie ein paar Mal kontrolliert, sogar spätnachts, und sie waren stets hellwach gewesen.
Wahrscheinlich war genau das Griffith’ Plan. Er wollte sie so lange in Sicherheit wiegen, bis sie in ihrer Wachsamkeit nachließ und er sein heimliches Herumschnüffeln wieder aufnehmen konnte. Nun, sie hatte allerdings fest vor, weiterhin auf der Hut zu sein, bis zum Tag seiner Abreise.
Doch der Nachmittag zog sich hin, und Rosalind wurde zunehmend müder. Sie hatte in der letzten Nacht Mühe gehabt einzuschlafen, weil sie sich immer eingebildet hatte, hinter der Wand Geräusche zu hören. Sie überlegte gerade, ob sie sich für ein kurzes Nickerchen in ihr
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