Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Preis des Lebens

Der Preis des Lebens

Titel: Der Preis des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Endres
Vom Netzwerk:
im Nacken zusammengebunden, wenngleich sein Zopf länger und etwas weniger streng gebunden war als der des Jagam. Im Gegensatz zu seinem Gefährten trug er auch keine Rüstung, sondern ein eng anliegendes Hemd aus dunkelgrünem Tuch, schwarze Beinkleider und kniehohe Reitstiefel. Ein Großteil seiner hochgewachsenen Gestalt wurde zudem von einem langen schwarzen Umhang verhüllt, der sich wie ein Mantel um ihn schmiegte.
Einen deutlichen Kontrast zu all dem bildete die Hautfarbe des Mannes. Narija hätte darauf gewettet, dass ihn irgendein schwindsüchtiges Leiden plagte. Doch die stechenden, wachsamen Augen passten genauso wenig zu einem Kranken, wie die Ausstrahlung des grauhaarigen Kriegers mit den Narben zuvor zu einem gebrechlichen, ausgemergelten Alten.
Der blasse Mann bemerkte Narijas neugierigen Blick und schenkte ihr ein unerwartet freundliches Lächeln.
Narijas ohnehin schon äußerst zaghafte Erwiderung gefror ihr jedoch auf dem Weg zu den geschwollenen Lippen.
Immerhin starrte sie nun geradewegs auf zwei lange, spitze Eckzähne.
Ein Vampir!, schoss es ihr noch durch den Kopf, ehe sie die Augen verdrehte und an Ort und Stelle erneut zusammenklappte.

2.

Eine ganze Weile starrten die beiden Männer schweigend auf das bewusstlose Mädchen hinab.
Dann sahen sie einander mit zunächst ausdruckslosen Mienen ins Gesicht. Schließlich schnitt der Krieger eine Grimasse.
»Hoffentlich bist du dir deiner Wirkung auf Frauen bewusst, Scharfzahn«, ächzte Lorn und strich sich mit der behandschuhten Rechten sichtlich genervt über den Bart.
»Was kann ich dafür, dass alle Welt immer einen Prinzen in weißer Rüstung erwartet?«, fragte Visco zerknirscht. Sein Ego vertrug es nicht sonderlich gut, wenn Frauen bei seinem Anblick erschrocken in Ohnmacht fielen. »Ich heb sie eben nicht auf meinen Schimmel, um mit ihnen dem Sonnenuntergang entgegenzureiten. Na und? Ist das ein Verbrechen? Oder ein Grund, gleich ohnmächtig zu werden?« Leise murmelnd meinte er zu sich selbst: »Ich brauch ein weißes Pferd, verdammt. Und eine Krone. Grmpf.«
»Reg dich ab«, meinte Lorn gleichgültig.
Visco schob streitlustig das Kinn vor. Ihn erregten solche Dinge weit mehr als seinen Partner.
»Wahrscheinlich hat die Kleine es einfach nicht ertragen, einem so gut aussehenden Mann wie mir zu begegnen«, murmelte der geläuterte Vampir verschnupft. »Kein Wunder, wenn sie vorher nur dich und die beiden Kerle da gesehen hat. Eine Art Kulturschock, wenn du verstehst?« Visco überging Lorns verächtliches Schnauben und fuhr ungemindert großspurig fort: »Und du bist ja sowieso nur neidisch! Ich hab genau gesehen, dass du zwei Hiebe gebraucht hast, um mit dem kleinen Frettchen da hinten fertig zu werden, während ich den fetten Ochsen mit einem einzigen, äußerst eleganten Streich erledigt habe, wenn ich das einmal so sagen darf.«
Visco wusste genauso gut wie Lorn, dass der erste Hieb notwendig gewesen war, um das Wiesel zu entwaffnen, damit der Kerl dem Mädchen nicht noch im Fallen irgendwie die Klinge in den Leib hätte stoßen können. Lorn ignorierte daher Viscos selbstgefälliges Grinsen, das inzwischen wieder zwei gleichmäßige Reihen perlweißer Zähne zur Schau stellte – nachdem der Adrenalinstoß des Kampfes abgeklungen war, bildeten sich die Eckzähne recht schnell wieder zurück – und trat zu den Leichen der Söldner. Visco ging zwischenzeitlich neben der jungen Frau in die Hocke. Seine schlanken, fahlen Finger strichen zärtlich über ihre geschwollene Wange und berührten flüchtig die aufgeplatzte, blutige Lippe.
Lorn warf seinem Gefährten einen warnenden Blick zu, ehe er sich daran machte, die Taschen der beiden Söldner zu durchsuchen. Außer einer Handvoll Kupfermünzen und einem weiteren schlecht geschliffenen Dolch im Gürtel des Wiesels fand er jedoch nichts von Wert. Er steckte die Kupfermünzen ein und warf den Dolch achtlos ins Gebüsch.
Als er sich anschließend wieder Visco und der Kleinen zuwandte, kauerte der Vampir immer noch neben dem Mädchen und strich ihr liebevoll durch das haselnussbraune Haar.
»Wir müssen weiter«, knurrte der Jagam ungeduldig.
Visco sah zu Lorn auf. Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich schlagartig. »Du willst sie hier zurücklassen, nicht wahr?«, fragte er leise, halb wütend, halb enttäuscht.
Lorn zuckte vielsagend mit den dornengekrönten Schultern.
Visco schüttelte den Kopf. »Manchmal bist du wirklich ein herzloser Bastard, Lorn«, meinte er abfällig.
Der Jagam

Weitere Kostenlose Bücher