Der Preis des Lebens
Geräusch einer Dolchklinge, die aus einer harten Lederscheide fuhr.
»Vorher stutzen wir dem Kätzchen aber noch die Krallen.«
Noch einmal Ruycs kalte, hasserfüllte Stimme.
Danach erst einmal vollkommene Schwärze.
*
» Diban! «
Erst Ruycs panikerfüllter Schrei drang wieder klar und deutlich zu Narija durch. Ihm folgten neben einem Zischen ein widerliches Schmatzen und ein dumpfer Aufschlag, als etwas unmittelbar neben Narija zu Boden ging und die Erde erbeben ließ. Blinzelnd öffnete die junge Frau die Augen ...
Und starrte direkt in Ruycs hässliches Wieselgesicht, dessen Nase fast die ihre berührte. Narija rollte mit einem Schrei herum. Ohne auf das Schwindelgefühl hinter ihrer Stirn zu achten, sprang sie unsicher auf die Füße und rannte blindlings los.
Sie kam nicht weit. Nach zwei Schritten taumelte sie bereits und wäre abermals der Länge nach ins Gras gefallen, wenn nicht zwei starke Hände nach ihr gegriffen hätten.
»Ich will dir nichts tun, Mädchen«, sagte eine raue Männerstimme direkt an ihrem Ohr, als Narija sich halbherzig gegen den festen Griff zur Wehr setzte. Es war eine tiefe, rauchige Stimme, fast ein finsteres Grollen. Allerdings gehörte sie keinem der beiden Söldner – woraufhin so etwas wie Hoffnung in Narijas Herzen aufkeimen wollte. Stand da etwa ein wohlgesinnter Retter hinter ihr, der sie aus den Klauen der beiden Unholde befreit hatte? Sofort trübte sich das Bild aber wieder. Denn was, wenn sie nur vom Regen in die Traufe gekommen war und dies nur ein weiterer Lump sein sollte? So oder so: Sie musste sich Gewissheit verschaffen.
Also nahm sie all ihren verbliebenen Mut zusammen und drehte sich ganz langsam zu ihrem vermeintlichen Retter um.
Und schrak erneut zurück.
Vor ihr stand ein Mann, dessen Alter sie nur schwer schätzen konnte, da sein markantes Gesicht von einem Netz hauchdünner, blasser Narben überzogen war, die ihn fraglos um einiges älter erscheinen ließen, als es ohne sie der Fall gewesen wäre. Auch waren sein im Nacken streng zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebundenes Haar und der sauber gestutzte Kinnbart bereits grau, obwohl Haltung und Ausstrahlung des Kriegers Kraft und Sicherheit verrieten.
Narijas Blick huschte über die Rüstung des Fremden.
Schwarz wie Pech, ein ärmelloser Brustpanzer aus dickem Leder, Armund Beinschienen aus schwarzem Metall, die faltigen Beinkleider aus demselben robusten Leder wie Stiefel und Handschuhe. Das Auffälligste an der Rüstung waren jedoch vier Dornen, die aus der eisernen Schulterpanzerung des Mannes ragten – der Kleinste so lang wie Narijas Daumen, der Größte etwas kürzer als ihr Ringfinger.
Ein Jagam! Narija machte große Augen. Selbst in ihrem Dorf hatte man schon Geschichten über die Krieger der Kirche gehört – über diese gnadenlosen Jäger des Bösen und furchtlosen Kämpfer im Angesicht der allgegenwärtigen Finsternis.
Narija starrte auf das Schwert in der Hand des Jagam, eine schmucklose Waffe mit schmaler Parierstange. Die junge Frau hielt den Atem an, als sie die dunkelroten Perlen bemerkte, die von der gesenkten Klinge ins Gras tropften.
Dennoch konnte Narija nicht anders, als der dunkelroten Spur im Grün mit unsicherem Blick zu folgen. Sie endete bereits nach nicht ganz drei Metern – und zwar in Ruycs lebloser Gestalt, die hinter dem narbengesichtigen Krieger der Kirche bäuchlings im Gras lag, eine klaffende Wunde in der Seite.
Narijas Gegenüber registrierte ihren angewiderten Blick, wischte seine Klinge bedächtig im Moos ab und steckte sie mit geübter Geschicklichkeit in ein Waffengehänge am Rücken, wo bereits eine Streitaxt überkreuzt im Futteral wartete.
»Er wird dir nichts mehr tun«, erklärte der Fremde unnötigerweise und wollte dem anscheinend noch etwas hinzufügen, als er von einer zweiten Stimme unterbrochen wurde, die irgendwo hinter Narija ertönte:
»Willst du wieder mal den ganzen Ruhm für dich allein einheimsen?«
Der Jagam gab ein genervtes Grunzen zur Antwort und stapfte ohne ein weiteres Wort an Narija vorbei in Richtung der neuen Stimme. Narija schaute ihm verwirrt nach, sodass sie nun auch einen Blick auf den Besitzer jener zweiten Stimme erhaschte.
Lediglich ein paar Meter entfernt stand ein gut aussehender Mann über der Leiche des anderen Söldners. Er hielt so etwas wie ein dünnes Schwert mit ausgefallenem, verbogenem Griff in der Hand, das er gerade am Wams des Glatzkopfes abputzte. Seine langen schwarzen Haare hatte er ebenso wie der Gerüstete
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