Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Preis des Lebens

Der Preis des Lebens

Titel: Der Preis des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Endres
Vom Netzwerk:
loslassen?« Ihr Blick klebte auf dem kleinen Mann, der halb benommen an der Wand lehnte. Visco hielt den Priester so, dass dessen Füße eine Handbreit über den Dielenbrettern in der Luft hingen.
Der Vampir ignorierte Narijas Bitte und suchte zunächst den Blick des Geistlichen.
»Wieso bespritzt Ihr mich mit Wasser, Vater?«
» Weih wasser, elende Kreatur ...«, murmelte der Priester.
»Das ist wohl meine Schuld«, warf Narija schnell ein. »Ich habe ihm von dir erzählt, als er mir für die Beerdigung meines Bruders und der anderen die Beichte abgenommen hat.«
Visco grinste den Dorfpriester böse an.
Murvin versteifte sich, als er die langen Eckzähne sah.
»Das wolltet Ihr doch sehen, nicht wahr, Vater?«, fragte Visco bissig . Nur wer ihn gut kannte, hörte die ernüchterte Traurigkeit hinter all der Wut und Gehässigkeit.
» Himmel! «, hauchte der Priester entsetzt und ließ vor lauter Schreck die Holzschale fallen.
»Ich laufe am helllichten Tag durch Euer Dorf. Und Ihr kommt mir allen Ernstes mit Weihwasser und einem blöden Kreuz ? Lehrt Eure Kirche heutzutage nicht mehr, eigenständig zu denken , Vater?«
»Blasphemie«, wisperte der kleine Priester erschüttert und bekreuzigte sich mit der nunmehr freien Hand schnell drei Mal hintereinander. »Doch der Herr ist mit mir, Ausgeburt der Hölle!«, fügte er dem noch trotzig hinzu.
»Hoffen wir's«, seufzte Visco und ließ den Priester so unvermittelt los, dass dieser hart neben seiner Schale zu Boden plumpste.
*
    »Er hat dich mit Weihwasser bespritzt?«
Viscos finsteres Gesicht rang Lorn ein Grinsen ab. Schnell wurde der Jagam aber wieder ernst. »Wie du siehst, sind wir hier nicht willkommen«, folgerte er nüchtern. »Warte, bis der Priester das rumposaunt hat. Bestimmt haben sie hier ein paar Fackeln und Mistgabeln über und wollen dich noch schnell lynchen, bevor sie selbst als Wolfsfutter enden. Du kannst also guten Gewissens mit mir von hier verschwinden.«
»Vielleicht hast du recht«, gab Visco zögerlich zu. »Auch wenn es mir um den Rest der Menschen hier durchaus leid täte, falls die Werwölfe zurückkommen.«
Lorn dachte kurz an Äpfel und Würmer.
Laut sagte er jedoch: »Das werden sie, Scharfzahn. Das werden sie. Verlass dich drauf ...«
*
    Egemunde war wie ausgestorben, als die beiden Seite an Seite durch das Dorf ritten. Die Geräusche der Aufräum- und Ausbesserungsarbeiten waren vor Kurzem verstummt und einer gespenstischen Stille gewichen, die nur vom gelegentlichen Krächzen der Krähen draußen vor dem Wall durchbrochen wurde. Der Grund für die unnatürliche Grabesruhe über Egemunde offenbarte sich Lorn und Visco, sobald sie die Dorfschmiede umrundet hatten und auf das Loch in der Palisade zuhielten.
Lorn stieß ein leises Knurren aus.
Vor dem Tor hatte sich eine beachtliche Menschenmenge eingefunden. So wie es aussah, hatte halb Egemunde hinter Flank Aufstellung bezogen. Der Bürgermeister stand ein Stück vor den anderen und starrte dem berittenen Gespann mit versteinerter Miene entgegen.
Sechs Schritt vor Flank zügelten Lorn und Visco ihre Pferde. Für die Dauer mehrerer Herzschläge musterten sich beide Parteien schweigend.
»Was wollt Ihr?«, fragte Lorn schließlich unfreundlich.
Flank ging ihnen furchtlos einen Schritt entgegen.
Nichtsdestoweniger drosch der Herzschlag des Mannes wie ein riesiger Kriegshammer auf Viscos feine Sinne ein.
»Wir brauchen Hilfe.« Der Bürgermeister streckte den Arm aus und deutete anklagend auf Lorn. »Hilfe von Euch, Jagam! «
»Ich hätte dem Jungen die Zunge rausschneiden sollen«, murmelte Lorn finster. Die Narben in seinem Gesicht spannten sich. Liara bemerkte den Blick des Jägers und legte ihrem Sprössling beide Hände auf die Schultern. Lorn indes konzentrierte sich bereits wieder auf Corberts Vater, sprach aber zugleich zu allen Egemundern:
»Ich bin kein Heiliger, Bürgermeister. Wenn Euer Junge richtig gelauscht hätte, wüsstet Ihr das.«
»Ihr könntet uns helfen!«, beharrte Flank.
Lorn zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. »Ich an Eurer Stelle würde verschwinden, so lange es noch geht. Packt Euer Hab und Gut zusammen und schaut, dass Ihr vor Einbruch der Nacht ein anderes Dorf erreicht. Mit etwas Glück habt Ihr dann bereits das Jagdrevier der Wölfe verlassen und erlebt den nächsten Sonnenaufgang.« Er richtete sich mit leise knarrender Rüstung im Sattel auf. »Und nun tretet zur Seite.«
Flank schüttelte halb bedauernd, halb trotzig den Kopf.
»Tut mir leid, aber das

Weitere Kostenlose Bücher