Der Preis des Lebens
geht nicht. Ihr könnt uns helfen, Jagam. Genau genommen ist es sogar Eure Pflicht .«
Visco seufzte. Das war genau der falsche Weg, um sich Lorns Sympathien zu sichern. Sie würden Lorn sicher nicht überreden können, indem sie ihn an seine Pflichten als Jagam erinnerten. Seit Lorn den Orden der Nachtjäger vor langer Zeit verlassen hatte, verbanden ihn höchstens noch seine Rüstung, seine Fähigkeiten und seine Erinnerungen mit der berüchtigten Exekutive der Kirche. Auch und erst recht nicht würden die Dörfler Lorn überzeugen können, indem sie ihm drohten.
Genauso wenig, wie sie ihn letztlich aufhalten könnten.
Visco ließ den Blick über die Egemunder schweifen.
Er sah Zorn, Wut und Unverständnis, aber mindestens auch genauso viel Angst und Unsicherheit auf den verhärmten Gesichtern. Nein, sie würden Lorn nicht aufhalten können. Wahrscheinlich wussten die Männer und Frauen das selbst am besten. Und trotzdem standen sie hier und setzten alles daran, sich die Hilfe eines Mannes zu sichern, der ihnen diese Hilfe nicht freiwillig und von sich aus gewähren wollte.
Dazu gehörte entweder eine gehörige Portion Mut, oder aber eine gehörige Portion Dummheit. Oder Verzweiflung.
Visco konnte die Männer und Frauen sogar verstehen.
Nach der letzten Nacht musste ihnen das Erscheinen eines Jagam in ihrem kleinen Dorf mitten im Nirgendwo wie ein Wink des Schicksals vorgekommen sein. Diese kümmerliche Hoffnung wollten sie sich nun freilich nicht einfach so nehmen lassen.
Als rechte Hand der Inquisition waren die Jagam dafür berüchtigt, unerbittlich Jagd auf die Schrecken und Ausgeburten der Finsternis zu machen, die getreu der Lehren der Kirche nach den Seelen braver Menschen lechzten. Trotz der Verstohlenheit, mit der die effizienten Nachtjäger ihrer Arbeit nachgingen, hatten die wohl berüchtigsten Feinde der Sieben Höllen einen beachtlichen Ruf, den gerade das einfache Volk mit bunten Geschichten nährte. Die Egemunder konnten also gar nicht anders, als mit Unverständnis auf Lorns schroffe Abweisung zu reagieren. Für sie war ein Jagam ein Jagam. Und woher hätten sie auch wissen sollen, dass Lorn seine schwarze Rüstung nunmehr nur noch aus Gewohnheit und praktischem Nutzen trug, wie er immer behauptete?
Visco warf seinem Partner einen raschen Seitenblick zu.
Die Narben im Gesicht des Jagam spannten sich abermals, als Lorn zu einer Antwort ansetzte, es sich im letzten Moment aber noch einmal anders überlegte und stattdessen in einer routiniert fließenden Bewegung nach hinten griff.
Sein Schwert fuhr lautlos aus dem Futteral und erschien wie ein silbernes Zepter in der Faust des Kirchenjägers.
» Lass das!« , zischte Visco sofort. Sein Arm schoss wie eine Schneenatter nach vorn und packte das Handgelenk von Lorns Schwertarm, wo schlanke blasse Finger sich eisern schlossen – so fest, dass Lorn trotz des dicken Leders einen gehörigen Druck verspürte und Visco wütend anfunkelte.
»Das sind verängstigte Bauern, Lorn«, flüsterte Visco derweil und sah Lorn prüfend ins Gesicht.
»Deine Bauern wollen uns gegen unseren Willen hier festhalten!«, knurrte Lorn ärgerlich zurück und versuchte, seinen Arm aus Viscos Klammergriff zu befreien.
Genauso gut hätte er versuchen können, seinen Arm aus dem Rachen eines Werwolfs zu ziehen.
Visco verzog leicht die Lippen, sodass Lorn die beiden spitzen Eckzähne des Vampirs aufblitzen sehen konnte.
Der ohnehin schon ziemlich düstere Gesichtsausdruck des Jagam verfinsterte sich noch weiter.
»So weit sind wir also schon, ja?«, grollte der Jäger durch zusammengebissene Zähne und verstärkte nochmals seine Bemühungen, sich aus Viscos Griff zu befreien.
In diesem Moment räusperte sich Flank demonstrativ und gab seinem Sohn einen Wink. Corbert hob daraufhin eilig einen Sack von der Größe eines Kürbis auf, der bis dahin zwischen seinen Füßen geruht hatte, und reichte ihn seinem Vater weiter. Egemundes Bürgermeister trat daraufhin trotz der gespannten Situation noch einen Schritt nach vorn und reckte den Arm samt Sack in die Höhe – womit er endgültig in unmittelbarer Reichweite von Lorns Klinge stand.
»Wir haben all unsere Ersparnisse zusammengelegt«, sprach Flank laut. Seine Stimme zitterte leicht. »Es ist nicht viel ... aber es sollte für zwei Schwerter und eine Nacht Arbeit genügen. Er gehört Euch, wenn Ihr uns helft.«
Weder Visco, noch Lorn schenkten dem Angebot Beachtung.
»Wir werden diesen Menschen helfen«, flüsterte Visco und drückte
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