Der Preis des Lebens
auf sie lauerte.
Dieser kam vermutlich aus den Ausläufern des nahen Vorgebirges – ein Ausgestoßener aus einem der unzähligen zersprengten Clans, welche die windgeschliffenen Pässe dort so lange unsicher machten, bis der König wieder einmal einen Trupp Panzerreiter entsandte, um die primitiven Bergbewohner bis zum nächsten Frühjahr einzuschüchtern. Der Forst indes bot dem ausgestoßenen Troll eine reelle Chance, auch ohne Clan zu überleben – und überdies einen reichlich gedeckten Tisch mit leckeren Pilzen, dazu Rot- und Schwarzwild.
Und gelegentlich ein Stück Menschenfleisch.
Das Gespräch zwischen Visco und seiner hübschen Tischgenossin war inzwischen zum Erliegen gekommen, nachdem Cilara durch Lorns Einwurf wohl zu einem ähnlichen Schluss gekommen war. Trotzdem verließ Cilara die Halle später nicht alleine. Lorn hingegen verbrachte die Nacht ohne menschliche Gesellschaft im Stall bei ihren Pferden.
Am nächsten Morgen war Visco dennoch vor dem ersten spärlichen Lichtschimmer des Tages wach, suchte schweigend seine Kleider im Stroh zusammen und machte sich auf, den Unterschlupf des Trolls im Wald aufzustöbern.
Und obwohl Lorn erst eine gute Stunde später hätte aufstehen müssen, um mit den Sammlern loszuziehen und die Arbeiter am heutigen Tag zu bewachen, beobachtete der Jagam versteckt hinter einem zur Nacht abgestellten Karren Viscos Aufbruch.
Der Nachtjäger nickte zufrieden, als Visco wenig motiviert in den nebelverhangenen, düster über dem Anwesen des Pilzkönigs aufragenden Wald stapfte.
*
Vermutlich wurde es außerhalb des Waldes bereits heller. Zwischen den Bäumen blieben Dunst und Nebel davon jedoch reichlich unbeeindruckt.
Visco wickelte sich fester in seinen klammen Umhang und dachte sehnsüchtig an Cilaras sommersprossige Haut. Er schmeckte sie noch auf seinen Lippen, roch sie noch an seinem Hemdkragen, fühlte ihre Finger auf seinen Schultern, seinem Nacken und seinem Rücken ...
Der Vampir schüttelte den Kopf. Dies war weder die richtige Zeit, noch der richtige Ort für solche Gedanken, so wärmend sie auch sein mochten. Also richtete er seine Aufmerksamkeit wieder diszipliniert auf den morgendlichen Wald und dessen Schleier aus grauer Nebelseide.
Hinter dem auch für Visco DeRául jederzeit der Tod lauern mochte. Viscos verbliebene Regenerationsfähigkeiten würden ihn nicht retten, wenn sich der Troll urplötzlich aus einer Nebelbank auf ihn stürzen und seinen Kopf mit einem wilden Hieb zu Brei schlagen würde – oder wenn das Biest einen jungen Baumstamm ausreißen und wie einen klobigen und primitiven, aber unangenehm effektiven Speer nach Visco schleudern sollte ...
Bei diesem wenig erquicklichen Gedanken verlangsamte Visco das Tempo seines Vorstoßes ins Grau abermals und lauschte noch angestrengter auf seine Raubtiersinne.
Man musste ja kein unnötiges Risiko eingehen.
*
Visco hatte Recht mit seiner Vermutung: Außerhalb des Forstes wurden die Morgennebel langsam von den Sonnenstrahlen verscheucht. Lorn stand bereits auf einem sonnenbeschienen Fleckchen Gras vor den Lagerhäusern und sah Duriks Leuten dabei zu, wie sie große Körbe und Butten aus den Hallen schleppten und auf die Pritschenwagen verteilten, vor denen die Kutscher wiederum kleine zottelige Ponys anspannten.
» Danke! «, keuchte ein blonder Jüngling, dem Lorn im letzten Moment zur Seite gesprungen war und davor bewahrt hatte, unter einem gefährlich wankenden Stapel leerer Körbe begraben zu werden. Der junge Sammler trug ein einfaches braunes Wams, eng anliegende Hosen und ein rotes Halstuch. Seine Katzenaugen glühten vor Begeisterung, als er Lorns Nicken falsch deutete und die Rüstung des Nachtjägers mit einem Grinsen bedachte. »Ihr sollt uns vor dem Troll beschützen, nicht wahr?«
Ein Blick in das begeisterte Gesicht seines Gegenübers genügte, damit Lorn seine Hilfestellung von gerade eben bereute und sich wünschte, der Jüngling läge unter einem Berg Körbe verschüttet.
»Pass mal auf, Junge.« Lorns Stimme glich einem Unwetter, das den gerade eben noch so vielversprechenden Morgen urplötzlich mit pechschwarzen Wolken verdunkelte. »Dein Herr bezahlt mich dafür, dass ich dich und die anderen vor dem Troll beschütze. Das werde ich auch tun.« Die Narben im Gesicht des Jägers spannten sich. » Mehr nicht. Verstanden?«
»Verstanden ...« , murmelte der Blondschopf zerknirscht und ließ die Schultern hängen. Begeisterung und Fröhlichkeit waren aus seinem Blick verschwunden. An ihrer
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