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Der Preis des Lebens

Der Preis des Lebens

Titel: Der Preis des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Endres
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Waldesinnere, heißt es. Wir lassen sie in Ruhe, und dafür lassen sie das Gut und den äußeren Bereich in Frieden und verschleppen keine Arbeiter.« Er lehnte sich zurück und tippte sich an den rechten Nasenflügel. »Der Troll weiß wohl nichts von dieser Abmachung. Vielleicht ist es ihm auch bloß scheißegal. « Ein Kollege des geschwätzigen Holzfällers rammte dem emsigen Redner unter der Tischplatte einen Ellenbogen in die Seite und murmelte etwas von Schandmäulern und bösen Omen. Daraufhin verstummte Viscos Tischnachbar und kratzte den Rest seines Eintopfes – mit mehr Pilzen und Wurzeln denn Kartoffeln oder gar Schinken und Speck darin – schweigend mit einem Stück Schwarzbrot aus dem hölzernen Suppenteller.
Doch Viscos Kontaktfreudigkeit hatte ohnehin bereits seit geraumer Zeit ein anderes Ziel im Auge ...
Dem Vampir gegenüber saß eine hübsche junge Frau, die dem gut aussehenden, aristokratisch blassen Fremden mit den scharf geschnittenen Gesichtszügen in den letzten Minuten ebenfalls immer wieder einen interessierten Blick zugeworfen hatte. Visco entschied, ihr Interesse endlich zu bemerken.
»Und Ihr seid die Inspiration der Arbeiter, ja?«, fragte er galant über den Tisch hinweg, stützte die Ellenbogen auf und legte das Kinn auf die vor dem Gesicht gefalteten Hände.
Wie erwartet, lächelte das Mädchen erfreut.
»Ich helfe, wo ich kann«, antwortete sie schlagfertig.
»Löblich, meine Liebe.« Viscos Aufmerksamkeit beleuchtete die Züge der rothaarigen Schönheit. »Und wie läuft das hier sonst so?«, hakte der Vampir dann möglichst unverbindlich und zwanglos nach.
Die junge Frau durchschaute sein Spiel dennoch und wirkte enttäuscht, dass Viscos Interesse an ihr so schnell verflogen war. Gekränkt strich sie sich eine feurige Haarsträhne aus der Stirn und erwiderte einsilbig: »Na, wie überall sonst auch, schätze ich. Wir werden nach Körben bezahlt. Kost und Logis werden uns am Ende des Monats vom Lohn abgezogen.« Schließlich rang sie ihren Stolz nieder und fügte leise hinzu: »Aber egal was man über Durik sagt: Es ist nicht ganz so schlimm wie bei anderen. Und er ist halbwegs fair, was die Bezahlung angeht. Meistens jedenfalls. Und er benutzt keine Peitsche.« Sie rieb sich in Erinnerung an andere Vorgesetzte fröstelnd den linken Oberarm.
Visco lächelte nachsichtig. »Manchmal sind Peitschen andererseits nicht zu verachten«, schnurrte er ebenso leise und ging ganz in seiner Rolle als dekadenter Geck auf.
Die Wangen der jungen Frau passten sich farblich ihrem Haar an. Nichtsdestoweniger schenkte sie Visco ein keckes, unmissverständlich einladendes Lächeln.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs entlockte Visco der schönen Cilara nicht nur ihren Namen, sondern nach und nach noch diverse andere interessante Details, die Durik ihnen aus welchen Gründen auch immer verschwiegen hatte.
So erzählte Cilara beispielsweise, dass es ein ausgeprägtes Konkurrenzdenken unter den Arbeitern gab. Viele der Männer und Frauen suchten von vorneherein alleine oder höchstens zu zweit nach dem braunen Gold des Waldes und teilten ihren Gewinn, wenn die gekennzeichneten Körbe am Nachmittag oder Abend entleert und am Ende des Monats vergütet wurden.
Bisher waren es stets diese Einzelgänger und Paare gewesen, die sich der Troll geschnappt hatte. Allerdings stimmten Duriks Aussagen zumindest dahin gehend, dass tatsächlich ausschließlich Männer dem Troll zum Opfer gefallen waren.
»Ein kluger Troll«, brummte Lorn nachdenklich. Es war das erste Mal, dass er etwas zum Gespräch beisteuerte.
»Was spricht für seine Klugheit?«, fragte Cilara verwirrt. »Trolle sind wilde Bestien ohne Sinn und Verstand!«
Lorn zuckte mit den dornengekrönten Schultern. »Und dennoch scheint deine wilde Bestie ohne Sinn und Verstand darauf zu achten, sich nur Happen zu schnappen, an denen auch was dran ist. Ich würde das klug nennen. Du nicht?«
Obschon Cilara Lorns Einfühlvermögen in einen Troll nicht so recht zu würdigen wusste und angewidert das Gesicht verzog, hatte der Jagam trotzdem Recht, wie Visco erkannte.
Dass der Troll sich vor allem die Einzelgänger haschte, sprach für die guten Instinkte oder gar die Klugheit des Wesens. Die ehrgeizigsten, um nicht zu sagen gierigsten Arbeiter entfernten sich wahrscheinlich weiter als alle anderen von den belebten Sammelplätzen, da sie an abgelegenen Stellen im Halbdunkel des Waldes nach möglichst großen und wertvollen Trüffeln suchten. Wo der Troll schon

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