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Der Preis des Lebens

Der Preis des Lebens

Titel: Der Preis des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Endres
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Stelle schimmerten nun Tränen der Scham und der Wut in den grünen Augen, die noch nicht viel von der Welt gesehen hatten, nichtsdestotrotz aber eifrig mit dem Licht der Fantasie in das nebulöse Dunkel hinter dem bekannten Horizont leuchteten.
Lorn sah den Kampf der Gefühle im Gesicht des jungen Mannes nicht mehr, da er sich längst in Richtung des nächstbesten Karrens umgedreht hatte. Ebenso ignorierte er die Blicke und das missbilligende Kopfschütteln der umstehenden Arbeiter, die der Unterhaltung neugierig gefolgt waren. Schweigend zog der Jagam sich neben einem von Natur aus finster dreinschauenden Mann auf den Kutschbock des ersten Karrens in der Wagenkolonne und wartete, bis dieser kurz darauf schaukelnd in den dunklen Wald holperte.
*
    Visco spürte, wie Müdigkeit und Frustration ihn einlullten und zugleich immer mehr Raum in seinem Denken beanspruchten, sogar Erinnerungen an zarte Haut und duftendes Haar verdrängten. Den ganzen Vormittag war er durch den feuchten, vom Nebel eingeschnürten Wald geschlichen, ohne auch nur einen Fußabdruck des Trolls zu finden. Sein Umhang und sein Haar fühlten sich klamm und kalt an, seine Finger waren steif und schmerzten, seine Füße taten weh. Hätte er nicht die Furcht auf den Gesichtern der Arbeiter und insbesondere in Cilaras Augen gesehen, hätte er diese fruchtlose Jagd vielleicht sogar schon längst ganz abgeblasen und gemutmaßt, dass er und Lorn angeheuert worden waren, um ein Phantom zu jagen, das desertierende Erntehelfer und eine schlechte Moral unter Duriks Kandare erklären sollte.
Alle Müdigkeit und Zweifel waren jedoch wie weggeblasen, als Viscos Raubtiersinne ihn auf ein großes, kräftig schlagendes Herz hinter der Baumreihe genau vor ihm aufmerksam machten. Visco erstarrte mitten im Schritt und konzentrierte sich voll auf seine lauschenden Sinne ...
Und seufzte enttäuscht.
Keine sechs Meter rechts des ersten Herzens gesellte sich ein zweiter, mindestens genauso kräftig pochender Lebensmuskel hinzu – und zwei Trolle wären dann doch zu viel des Guten gewesen, selbst bei Viscos Glück.
Der Vampir schlüpfte gewandt zwischen einem krummen, knapp oberhalb des unebenen Waldbodens gegabelten Baum hindurch und betrat eine wilde kleine Lichtung. Der stattliche Elch, der dort still wie eine massige Statue stand, ließ sich zunächst nicht stören und starrte unbeirrt weiter auf die Blautanne vor ihm, hinter deren blaugrünen Wedeln sich die Angebetete des Bullen verbergen musste.
Das zweite große Herz , das Viscos Sinne fühlten.
»Wollte nicht stören, Kumpel«, murmelte Visco ernüchtert und hob entschuldigend eine blasse Hand.
Jetzt erst wandte der Bulle ihm träge den Kopf mit dem mächtigen, ausladenden Geweih zu. Seine dunklen Augen musterten Visco und sahen in dessen Erscheinung nach wie vor keine Gefahr – höchstens ein störendes Ärgernis. Das kräftige Tier schnaubte vernehmlich, wandte sich ab und trabte gemütlich in die entgegengesetzte Richtung davon, wo es mit Geraschel und Geknister im Unterholz verschwand.
Visco spürte, dass der Herzschlag der Elchkuh aus dem Dickicht unter der Blautanne sich daraufhin ebenfalls näherte – wahrscheinlich wollte die Kuh ihrem von Haus aus gehörnten Herzbuben folgen, damit sie ihr Spiel andernorts ungestört fortsetzen konnten. Der Vampir musste nicht lange warten, bis sich erwartungsgemäß eine deutlich schmaler gebaute Elchdame ohne Kopfschmuck zwischen den Tannenwedeln und verfilzten Büschen hervor schob und sich anschickte, dem stattlichen Bullen hinterher zu marschieren.
Eine Frau, die einem Mann nachläuft? Visco sah der Elchkuh, die wie ein übergewichtiger Waldgeist im Gestrüpp verschwand, grinsend hinterher und hing seinen eigenen Gedanken nach, um sich von diesem neuerlichen Rückschlag auf der Suche nach dem Troll abzulenken.
Zu spät bemerkte der deshalb, was seine Sinne ihm bereits seit Verschwinden der beleibten Elchdame zu sagen versuchten: Nämlich dass hinter den Tannen ein drittes Herz schlug , das bis dahin lediglich von den dominanten Lebensmuskeln der beiden turtelnden Elche übertönt worden war.
Als Visco mit erhobenem Rapier und wehendem Umhang in die entsprechende Richtung herumfuhr, war es bereits zu spät.
Ein grauer Schemen schoss auf ihn zu und drückte seinen Schwertarm scheinbar spielend nach unten. Die Überreste von Viscos dunklem Ich traten so weit ins Licht wie möglich – es half nichts. Visco heulte gequält auf, als seine Knochen, Sehnen und Muskeln

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