Der Preis des Verrats (German Edition)
Joshua Cahill auf den Tisch legte. Gekleidet in einen orangen Gefängnisoverall, der zwei Nummern zu groß schien für seine dünne Gestalt, blickte Joshua aus dunklen Augen über die schaurigen Tatortbilder. Er benetzte seine Lippen, runzelte dann ein wenig die Stirn.
„Mich ahmt also jemand nach?“
„Als ob du das nicht wüsstest“, knurrte Mitch.
„Tue ich nicht.“
„Bist du bereit, dich einem Lügendetektortest zu unterziehen, um das zu bestätigen?“
Joshua strich seine fettigen Haare, die ihm in die Augen fielen, beiseite, ohne jedoch den Blick von den Fotos zu nehmen. Dann streckte er zögerlich eine Hand nach ihnen aus.
„Nicht anfassen“, befahl Mitch. Er neigte sich näher zu Joshua, und was er sagte, klang provozierend. „Hübsch, nicht wahr? Dieser Typ stiehlt dir die Show, Cahill. Du sitzt hier drinnen fest, während er sich da draußen vergnügt. Weißt du, was ich denke? Vielleicht ist er einfach besser als du.“
Mitch zog eines der Fotos näher zu sich und betrachtete es genauer. Es zeigte die Frau am Hains Point. „ Sieh dir nur an, was er mit ihr gemacht hat. Seine Arbeit lässt dich beinahe wie einen Stümper aussehen.“
Joshua schaute auf. Langsam verwandelten sich seine Augen in zwei kalte schwarze Steine. Seine zusammengesackten Schultern strafften sich etwas und die Oberlippe verzog sich zu einem schmalen Grinsen. Reid hatte diese Verwandlung schon einmal miterlebt – in seinen unzähligen Befragungen von Joshua nach der Verhaftung und später in den Sitzungen, die dem Schuldspruch folgten und in denen das psychologische Profil erstellt wurde. Joshua konnte sich aus dem Stegreif verwandeln, aus einem zurückgezogenen jungen Mann, scheinbar alles andere als gewalttätig, wurde ein dreister, aggressiver Scheißkerl. Es war, als könnte eine härtere, dunklere Version von ihm die schüchterne zu jeder Zeit einholen.
„Aber vielleicht liege ich da auch falsch“, gab Mitch zu und kratzte sich am Kopf. „Wenn du ihm von deinem Plätzchen hinter Gittern aus Anweisungen gegeben hast, dann wären die Tötungen zum Teil deine, richtig?“
„Ich hab es Ihnen schon gesagt. Ich weiß gar nichts.“
„Komm, verarsch mich nicht.“
„Ich werde es beweisen. Ich werde euren dämlichen Lügendetektortest machen. Unter einer Bedingung.“ Sein undurchdringlicher Blick wanderte zu Reid. „ Wenn ich meine Schwester sehen kann.“
Reid verschränkte die Arme vor der Brust und presste die Zähne aufeinander. „Caitlyn wird nicht hierherkommen.“ „Aber Sie könnten sie dazu bringen. Nicht wahr, Agent Novak?“
Mitch saß mit dem Rücken zu Reid, drehte sich aber jetzt in seinem Stuhl zu ihm um.
„Sie können sie zu so ziemlich allem bewegen, wette ich. Sie haben sie dazu gebracht, meine Sachen zu durchsuchen und mich zu bestehlen. Sie hat ihren eigenen Bruder ans Messer geliefert, alles nur für Sie.“ Joshua lockerte eine Schulter und berührte die Stelle, wo sie auf das Schlüsselbein traf. „Es tut immer noch weh, wo Sie mich erwischt …“
„Wie tragisch.“
„Vielleicht können Sie sie ja auch noch zu ein paar anderen Sachen überreden.“
Auf Joshuas anzüglichen Tonfall hin merkte Reid, wie Wut in ihm hochkochte. Anstatt Joshua anzusehen – er würde dem Kerl nicht die Genugtuung verschaffen, mitzuerleben, wie verärgert er war –, richtete Reid den Blick auf das vergitterte Fenster am anderen Ende des schmalen Raums.
„Hat sie Ihnen einen geblasen?“, fragte Joshua. „Caitlyn hat einen wirklich süßen Mund.“
Reid schaute Joshua immer noch nicht an. „Das ist Zeitverschwendung. Das Arschloch weiß nichts“, sagte er mit vor Zorn heiserer Stimme.
Und damit ging er hinaus.
Ein paar Minuten später holte ihn Mitch im Flur wieder ein. Reid fuhr sich mit der Hand durchs kurze Haar. „Mach einen Lügendetektortest, wenn du willst. Wir werden bestimmt eine richterliche Anordnung dafür bekommen. Aber es wird zu nichts führen. Cahill ist ein gewohnheitsmäßiger Lügner. Er wird den Lügendetektor austricksen.“
„Nun, er weiß zumindest, wie er dich in Rage bringt.“
Reid sagte nichts. Er schaute auf die schwere Tür, die sie von Cahill trennte.
„Also, du hast die Befragung mitbekommen – was sagt dein Bauchgefühl?“, fragte Mitch. „Kennt er den Nachahmungstäter oder nicht?“
Reid wünschte, er wüsste es. Er hatte gehofft, irgendetwas aus Joshuas Augen ablesen zu können, während er sich die Fotos anschaute. Reid hatte ein wenig Stolz
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