Der Preis des Verrats (German Edition)
hatte er nichts mit den Morden zu tun.
Sie war sich da sicher … oder nicht?
Ein leiser Zweifel keimte in ihr auf und plötzlich stellte sie ihr eigenes Urteilsvermögen infrage. Entführung und Körperverletzung waren keine Kavaliersdelikte – und Manny hatte versäumt, ihr zu sagen, dass er wegen zweier schwerer Straftaten verurteilt worden war. Falsche Angaben in der Bewerbung waren jedenfalls ein Kündigungsgrund. Sie würde anfangen müssen, nach einem Ersatz für ihn zu suchen, und das bald. Sein Aufgabenbereich auf der Farm und dem Reiterhof war zu groß, als dass sie die Position lange unbesetzt lassen konnte.
Sie war bereits zu Bett gegangen, da klingelte das Telefon auf ihrem Nachttisch. Als sie einen kurzen Blick auf die Leuchtziffern des Digitalweckers warf, sah sie, dass es fast Mitternacht war. Doch das machte nichts, denn sie war viel zu aufgedreht gewesen, um zu schlafen, und hatte sich stattdessen nur im Bett hin und her gewälzt.
„Hallo?“
„Caitlyn, hier ist Reid.“
Sie hielt den Telefonhörer ans Ohr und schob sich am antiken, schmiedeeisernen Kopfende des Bettes hoch, bis sie aufrecht saß.
„Es tut mir leid, dass ich so spät anrufe.“
„Wo bist du?“
„Zurück in D. C.“
„Was ist mit Manny?“
„Er ist vor ein paar Stunden freigelassen worden.“
Caitlyn beugte sich zum Nachttisch und schaltete die Lampe an. „Das heißt, das FBI hat nichts in der Hand, was man ihm anlasten könnte.“
„Es gibt nichts, was stichhaltig genug wäre für eine Festnahme“, räumte Reid ein. „Ruiz hat nämlich ein Alibi für den Zeitpunkt des Einbruchs letzte Nacht, das sich bestätigt hat. Aber er hat dich angelogen, Caitlyn. Er hat dir nichts von seiner Zeit im Gefängnis erzählt. Von einem Mann, dem du deinen Reiterhof anvertraust, wirst du so etwas doch wissen wollen, oder?“
Caitlyn rieb sich die Stirn. Sie wusste, dass Reid recht hatte, aber sie war immer noch durcheinander wegen der Störung auf dem Reiterhof am Nachmittag. Mehr noch, sobald sie ihn mit den zwei anderen FBI-Agenten zusammen gesehen hatte, waren schlechte Erinnerungen an die Ermittlungen um ihren Bruder geweckt worden – Erinnerungen, die sie mit sehr viel Mühe verdrängt hatte.
„Hat er …“ Sie schloss die Augen. „Hat er Joshua im Gefängnis kennengelernt?“
„Er leugnet es. Wir haben auch Ruiz’ Gefängnisakte geprüft und da steht nichts, was darauf hinweist, dass sich ihre Wege bei Arbeitseinsätzen gekreuzt haben, zumal dein Bruder im Hochsicherheitstrakt sitzt.“ Reid hielt inne. „Dennoch bleibt die Tatsache, dass er ein ehemaliger Häftling ist. Ich denke nicht, dass er nach Rambling Rose zurückkommen wird, auch nicht, um seine Sachen abzuholen. Aber wenn er es tut, möchte ich, dass du mich anrufst. Mein Bauchgefühl sagt mir, er ist an den Morden nicht beteiligt, aber ich bin nicht hundertprozentig überzeugt. Du solltest auf Nummer sicher gehen, was ihn betrifft.“
Caitlyn biss sich auf die Lippen. Die Eiche draußen vor ihrem Schlafzimmerfenster schwankte im abendlichen Wind. Ein Ast schrammte an der Außenseite des Hauses entlang. Sie wollte nicht mehr über Manny sprechen.
„Du hast gesagt, es gäbe ein zweites Opfer im District“, erinnertesie sich. Reid hatte zum Tatort fahren wollen, als er ihr Haus am Morgen verließ. „Wer ist sie?“
„Vorläufig eine weitere Unbekannte, aber der Mord passt ins Muster.“
„Es gibt also einen Nachahmer.“ Mühsam presste sie die Worte hervor.
„Es wird schon alles in Ordnung sein. Halte dich einfach an die Sicherheitsmaßnahmen, die wir besprochen haben. Ich werde mich bei dir melden, sobald ich mehr weiß, das verspreche ich.“
„Reid? Du hast hier etwas vergessen. Ein Medikament von deinem Arzt …“
„Das brauche ich nicht.“ Er klang höflich, aber kühl. „Gute Nacht, Caitlyn.“
Und damit hatte er auch schon aufgelegt. Sie stellte den Hörer zurück in die Basis und starrte zum Fenster hinaus in die schwarze Nacht. Der Ast schrammte wieder an der Hausseite entlang, mit einem leisen, schwerfälligen Kratzen. Caitlyn warf einen Blick auf die Bedienkonsole an der Schlafzimmerwand und versicherte sich, dass die reparierte Alarmanlage eingeschaltet war. Dann seufzte sie, zog die Knie an die Brust und schob die nagende Angst, die sie empfand, von sich. Von ihrem einsamen Schlafzimmer aus schien der Morgen so weit entfernt wie der Mond.
Vom hinteren Ende des Raums aus verfolgte Reid stumm, wie Mitch die Fotos vor
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