Der Preis des Verrats (German Edition)
erwartet. Wenn Joshua als Mentor für den zweiten Killer fungierte, dachte Reid, dann hätte er vielleicht eine solche Emotion gezeigt. Es sei denn, Joshua hatte eine stärkere Kontrolle über sich, als ihnen klar war.
„Es ist immer noch denkbar. Hast du die Besucherliste bekommen?“
Mitch nickte. „Ein Pfarrer von der Kirche der Cahills kommt alle paar Wochen, aber der Kerl ist über siebzig und halb gelähmt durch seine Arthritis. Dann gibt es da auch noch ein paar Frauen, die regelmäßig zu Besuch erscheinen. Krank, oder? Wahrscheinlich alles Masochisten, denen einer abgeht bei der Vorstellung, wie Cahill Frauen foltert. Wo wir gerade davon sprechen, er bekommt ziemlich viel Fanpost, die der Aufseher gerade durchleuchtet. Sie beobachten sämtliche Briefpost und die gesamte Internetkorrespondenz – was hereinkommt und was er nach draußen schickt.“
„Was ist mit den Aufsehern im Hochsicherheitstrakt?“, fragte Reid.
„Wir schauen uns das an.“
Sie setzten sich Richtung Ausgang in Bewegung, bis sie den Schalter erreicht hatten, wo Mitch seine Waffe abgegeben hatte. Sie gaben ihre Sicherheitsausweise zurück, dann warteten sie, dass der Wachhabende die große Tür öffnete und sie hinausließ.
Vielleicht kriegen Sie sie ja auch noch zu ein paar anderen Sachen rum .
Als die späte Morgensonne sie draußen vor dem Gefängnis empfing, flackerte Reids Zorn wieder auf. Joshua hatte ihn vorgeführt, das war ihm klar, aber es verhinderte nicht, dass er innerlich vor Wut kochte.
11. KAPITEL
Um kurz vor eins am Mittwochmittag ging es auf dem Farragut Square im Stadtzentrum von D. C. geschäftig zu. Fahrradkuriere versammelten sich unterhalb der Statue des Unionsadmirals und warteten auf ihren nächsten Auftrag, Büroangestellte saßen mit braunen Papiertüten auf den Bänken und genossen ihren Lunch. Caitlyn ging durch den Park. Sie wollte zur Sitzung einer Wohlfahrtsorganisation, in deren Vorstand sie nach wie vor saß. Es war wider Erwarten doch noch ein wunderschöner Herbsttag geworden, die Luft war frisch und der Himmel strahlend blau, also hatte sie beschlossen, zu Fuß zu gehen, anstatt auf ein Taxi zu warten. Früh am Morgen war sie in der Stadt angekommen und hatte im nahe gelegenen Montier Hotel eingecheckt. Sie hoffte, die letzten paar Tage hinter sich lassen zu können.
Das lebhafte Treiben im Park erinnerte sie daran, wie aufregend es war, in der Hauptstadt des Landes zu leben. Die Männer in den eleganten, dunklen Anzügen handelten höchstwahrscheinlich gerade Absprachen für oder gegen irgendein Bundesgesetz aus. Und die Touristen studierten ihre Stadtpläne und schossen Fotos. Ein Mann mit Tattoos und einer Wollmütze auf dem Kopf klimperte auf seiner Gitarre und sang für sein Publikum. Die meiste Zeit ihres Lebens war Caitlyn Teil dieser Energie des Districts gewesen. Als Tochter eines Senators mit guten Beziehungen gehörte sie überall dazu. Es erschien ihr jetzt merkwürdig, das alles nur noch als Besucherin zu erleben.
Auch wenn die Farm nur eine Stunde entfernt war, hatte Caitlyn beschlossen, einen oder zwei Tage in der Stadt zu bleiben, anstatt nach der Sitzung gleich wieder zurückzufahren. Morgen früh hatte sie eine Verabredung mit ihrem Finanzberater, und danach würde sie zu dem Pflegeheim in Foggy Bottom fahren, in der Nähe der George Washington University, um ihre Mutter zu besuchen. Sie hatte auch noch einen Termin, um den Verkauf des Hauses ihrer Familie in Georgetown zu arrangieren. AberCaitlyn konnte sich nicht selbst belügen; dass sie über Nacht blieb, hatte nicht nur etwas mit Bequemlichkeit zu tun. Sie fand es ironisch, dass der District, der Ort, von dem sie ursprünglich geflüchtet war, ihr nun zu einer kurzen Erholung von ihrem zurückgezogenen Landleben diente.
Am Fußgängerüberweg wartete sie darauf, dass die Ampel umschaltete. Sie musste über die geschäftige 17th Street und dann zu dem postmodernen Bürogebäude, wo das Vorstandstreffen stattfand. In diesem Augenblick bemerkte sie den Mann. Hochgewachsen und blass, mit einer Stirnglatze. Er schien sie direkt anzustarren. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie ihn nicht kannte, wandte ihren Blick ab und überquerte mit den anderen Fußgängern die Straße.
Als sie das Bürogebäude erreichte, sah Caitlyn auf ihre Armbanduhr. Sie war früh dran, und da der Tag so wunderschön war, hatte es wenig Sinn, jetzt schon hineinzugehen. Sie setzte sich auf den Rand des Springbrunnens draußen vor der Lobby aus
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