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Der Preis des Verrats (German Edition)

Der Preis des Verrats (German Edition)

Titel: Der Preis des Verrats (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leslie Tentler
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sonnigen Herbstnachmittags schwand, als es am blauen Himmel allmählich Abend wurde. Er zog die dünne Jacke enger um seine Brust und bemühte sich, die schmerzenden Füße nicht weiter zu beachten. Seit Stunden verfolgte er sie durch den District.
    Um sich abzulenken, schloss er die Augen und konzentrierte sich auf ihre kühle Schönheit, dachte an ihr ovales Gesicht mit den feinen Zügen und an den anmutigen Schwung ihres Halses, der dem einer Ballerina glich. Aber plötzlich verformte sich ihr Bild, bis es zu jemand anderem wurde. Jemand, der für ihn sogar noch schöner war. Er sah seine Frau vor sich – wie sie lachte, am Strand an einem Sommerwochenende, wie sie ihren Töchtern half, Weihnachtsgeschenke einzupacken. Wie sie den West-Highland-Welpen liebkoste, den er ihr zum zehnten Hochzeitstag geschenkt hatte. Die Erinnerungen hüllten ihn ein, bis ihm schwindlig war vor Zorn und Elend.
    Ich bin so müde, dachte er, während er mit den Handballen über seine geschlossenen Augen rieb. Er hatte nicht geschlafen, war seit zwei Tagen nicht mehr zu Hause gewesen.
    Als er wieder aufschaute, hielt der Diener unter dem Säulenvorbau des Hotels die Glastüren auf und gab den Blick auf die vornehme Lobby mit den glitzernden Kronleuchtern frei.
    Reid Novak ging nach draußen.
    Sie waren sich schon früher in den Räumen des Bundesgerichts über den Weg gelaufen – einmal beruflich und ein anderes Mal in äußerst persönlicher Angelegenheit. Er trat zurückin den Schatten, beobachtete, wie der FBI-Agent dem Diener ein Trinkgeld gab und in einem Geländewagen davonfuhr. Nach allem, was er gehört hatte, war Novak ein guter Ermittler, überaus intelligent, ein hochmoralischer Mensch. Das machte die Affäre mit ihr sogar noch irritierender. Gerade Novak musste doch verstehen, dass sie mit Sünde befleckt war, oder nicht?
    Aber als er ihnen vom Restaurant zurück zum Hotel gefolgt war, hatte er bemerkt, wie Novaks Hand auf ihrem Rücken verweilte. In diesem Augenblick hatte ihn der Schmerz wie eine Flutwelle überschwemmt, und der Verrat des anderen Mannes stach mitten in sein Herz.
    Er spähte wieder an der Hotelfassade hinauf. Plötzlich wurde sein Blick zu einem Eckzimmer im dritten Stock gezogen. Goldenes Licht strahlte aus dem Bogenfenster und zeichnete die Umrisse einer schlanken Frau nach, die nach draußen schaute. Aus der Entfernung konnte er ihr Gesicht nicht erkennen, aber ihre Haare waren lang und blond. Seine Finger verkrampften sich ineinander, die ungepflegten Nägel drückten halbmondförmige Male ins Fleisch.
    „Ich will meine Frau zurück“, flüsterte er in die Dunkelheit.

13. KAPITEL
    „Agent Novak.“ Hal Feingold prostete Reid mit seinem Bierglas zu, als der den holzgetäfelten Gastraum der Ambassador Bar betrat. Die Bar lag in der Nähe vom Capitol Hill. „Sie haben mir eine Reise erspart.“
    „Wieso das?“ Reid setzte sich auf den Barhocker neben dem ehemaligen Reporter. Er war bereits bei Feingolds Haus gewesen und hatte von dessen Frau erfahren, wo Feingold zu finden war. Das Handy des Journalisten lag griffbereit auf der Theke, und da Feingold auch nicht weiter überrascht zu sein schien, dass Reid bei ihm auftauchte, nahm dieser an, dass Feingold vorgewarnt worden war.
    „Ich arbeite gerade an einem Buch über die Cahills. Als leitender Ermittler im Capital-Killer-Fall stehen Sie auf meiner Interviewliste. Möchten Sie einen Drink?“ Feingold hob die Hand, um dem Barkeeper ein Zeichen zu geben.
    „Nicht für mich“, sagte Reid.
    „Wie Sie wollen.“ Feingold zuckte mit den dicken Schultern, die sich unter dem Tweedjackett verbargen. Sein fast kahler Schädel reflektierte das Licht von einem Wandfernseher. Gerade lief C-SPAN, der Parlamentskanal, der über Politik und Regierungsgeschäfte berichtete. Feingold ließ sich vom Barkeeper ein weiteres Bier geben, nahm einen Schluck und wischte sich den Schaum vom Mund. „Wie ist es Ihnen also ergangen, Novak? Ich habe vor ein paar Wochen das VCU-Büro kontaktiert und mir wurde gesagt, Sie wären vom Dienst befreit. Sie waren krank?“
    „Mir geht es jetzt besser.“
    „Aber Sie sind noch nicht wieder zurück im Job, oder? Sie tragen keine Waffe bei sich.“
    Feingold hatte einen Dackelblick und die Hängewangen eines chronischen Trinkers, aber Reid wusste, dass der Verstand des Reporters scharf wie ein Skalpell war. Er hatte fast dreißig Jahre lang für die Washington Post über Verbrechen und Kriminalitätberichtet, bevor er die

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