Der Preis des Verrats (German Edition)

eilte die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Ihre schnellen Schritte hallten auf den Stufen wider. Draußen war helles Tageslicht – ihr würde schon nichts passieren. Mit Schwung riss sie die Eingangstür auf und schrie beinahe. Sie hatte nicht erwartet, jemanden auf der Veranda vorzufinden.
    „Caitlyn?“ Bliss Harper stand da und hielt mitten in der Bewegung inne. Sie hatte gerade zum Messingtürklopfer greifen wollen.
    „Bliss.“ Caitlyn klang atemlos.
    „Bin ich … zu früh?“ Bliss warf ihr flachsblondes Haar über die Schulter und sah prüfend auf ihre Cartier-Armbanduhr. „Du siehst überrascht aus.“
    Caitlyn suchte die Straße hinter Bliss ab, konnte den Mann aber nicht mehr entdecken. „Nein … Nein. Du bist genau zur rechten Zeit gekommen.“
    Die zwei Frauen umarmten einander lange. Bliss war mit Caitlyn zur Schule gegangen und war eine der wenigen Freundinnen, mit denen sie nach Joshuas Festnahme und seinemProzess in Kontakt geblieben war. Bliss war erst kürzlich geschieden worden und arbeitete jetzt als Maklerin. Sie hatte sich auf große Landgüter spezialisiert, ein einträglicher Beruf für sie, denn sie bewegte sich in denselben Kreisen wie die Leute, die sich solche Häuser leisten konnten. Caitlyn hatte sie letzte Woche wegen des Hausverkaufs kontaktiert.
    „Du wirkst beschäftigt“, stellte Bliss fest. „Sollen wir den Termin verschieben?“
    Caitlyn schaute an Bliss vorbei und suchte die Straße noch einmal ab, aber ihr mysteriöser Verfolger war endgültig verschwunden. Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Lass uns das jetzt erledigen.“
    „Es ist ein rückläufiger Markt“, mahnte Bliss. Sie machte sich Notizen in einem ledergebundenen Journal, während sie und Caitlyn in einem der Schlafzimmer im oberen Stockwerk standen. Mit sanfter Stimme fuhr Bliss fort: „Und dieses Haus hat eine schlimme Geschichte, Liebes.“
    Der Angebotspreis, den sie empfahl, war deutlich niedriger als das, was Caitlyn erwartet hatte. Sie wusste, das Haus war mehr wert. Aber Joshuas schändliche Taten überschatteten es, auch das war ihr klar. Selbst wenn er während der Mordtaten nicht hier gewohnt hatte, er war nun einmal in diesem Haus aufgewachsen. Und das FBI hatte eine Hausdurchsuchung durchgeführt, nachdem Caitlyn das Tagebuch übergeben und ihnen einen Grund dafür geliefert hatte.
    „Dies ist eines der am besten erhaltenen viktorianischen Häuser in der Straße, und ganz abgesehen davon ist es auch das größte“, sagte sie ruhig.
    „Wir können den Preis auch heraufsetzen, Caitlyn. Aber sei darauf vorbereitet, dass du davon abweichen musst. Schlechtes Karma verkauft sich nicht gut.“ Bliss schaute sich in dem Schlafzimmer um, das einmal Joshua gehört hatte, und biss sich auf die Lippen. „Warum gehen wir nicht hinunter ins Esszimmer? Wir können dort den ganzen Papierkram auf dem Tisch ausbreiten.“
    „Geh ruhig schon einmal vor. Ich bin in einer Minute unten.“
    Sobald sie allein war, ließ Caitlyn den großen Raum mit dem Holzboden und dem breiten Erkerfenster, das einen Ausblick auf den Montrose Park bot, auf sich wirken. Ein Bild von Joshua schoss ihr durch den Kopf. Er war damals ungefähr zehn Jahre alt und saß mit gekreuzten Beinen auf der gepolsterten Fensterbank und las ein Buch. Sie hatte seine dunklen, intelligenten Augen wieder vor sich, die fast unter dem wirren Haar verschwanden, während er in sein Buch vertieft war. Durch das Fenster hinter ihm war der graue, verregnete Nachmittag zu sehen. Irgendwann las Joshua seine Lieblingspassagen laut vor und seine kindliche Stimme wurde Teil ihrer Erinnerung. Aber das alles lag viele Jahre zurück, lange vor der Diagnose Schizophrenie. Vor den psychiatrischen Gutachten und den schweren Antipsychotika.
    Das Zimmer war nicht geheizt, und Caitlyn rieb sich mit den Händen über die Arme. Dann besah sie sich das Bücherregal, das immer noch voll war mit Joshuas Lieblingsbüchern aus Kindertagen. Der Hobbit, Der Herr der Ringe, König Arthur und die Ritter der Tafelrunde . Sie nahm eines der Bücher heraus, um den Umschlag genauer betrachten zu können, und stellte es auf seinen Platz zurück. Ihr Blick wanderte weiter zu dem antiken Schreibtisch, an dem Joshua seine Hausaufgaben gemacht hatte. In die Platte hatte er seinen Namen geschnitzt, die kindliche Radierung versetzte ihr einen Stich ins Herz. Gedankenverloren öffnete Caitlyn eine der Schreibtischschubladen. Was sie sah, ließ ihr den Atem stocken.
    Sie nahm die blonde