Der Preis des Verrats (German Edition)
nagte eine Erinnerung an ihm. Er kannte den Mann.
„Entspannen wir uns doch einfach“, schlug er vor, hob langsam die Hände, um zu zeigen, dass er nicht nach der Waffe greifen wollte. „Niemand muss zu Schaden kommen.“
„Es ist bereits jemand zu Schaden gekommen.“ Die Stimme der Mannes war leise und kaum hörbar, der trommelnde Regen verschluckte jedes Geräusch.
„Sie sind mir gefolgt“, sagte Caitlyn mit heiserer Stimme. „Was wollen Sie?“
„Ich will …“ Der Mann stockte. „Ich will meine Frau zurück.“
Der Lauf der Waffe zitterte. Dieses hagere, kantige Gesicht und das spitze Kinn. Etwas blitzte in Reids Gedächtnis auf. Der Mann hatte sehr viel Gewicht verloren, die durchnässten Kleider umschlangen seine magere Gestalt. Die plötzliche Erinnerung traf Reid wie ein Schock.
Vor seinem inneren Auge erschien das brutale Bild von Julianne Hunter auf dem Boden der verfallenen Fabrik. Ihren Ehemann hatte er erst später im Leichenschauhaus von D. C. kennengelernt. Er hatte dem Mann sein Beileid ausgesprochen und gewartet, bis die Leiche identifiziert war. Während des gesamten Prozesses um Joshua Cahill hatte Hunter stumm und mit roten Augen hinten im Gerichtssaal gesessen und darauf geharrt, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde. Aber der Kerl, der jetzt mit der Waffe in der Hand vor ihm stand, war nur noch eine bloße Hülle des Mannes, der er früher einmal gewesen war. Hunter sah ungepflegt aus, sein dünner werdendes Haar klebte ihm, nass vom Regen, am Kopf. Mit fiebrigemBlick starrte er Caitlyn an.
„Ihre Familie hat mein Leben zerstört! Julianne, sie war alles für mich, für meine zwei Mädchen …“
Caitlyn blinzelte. „Ich verstehe nicht …“
„Sie kennen mich nicht? Meine Frau? Ihr Bruder hat sie ermordet!“
Reid mischte sich ein. „Sie hatte nichts mit dem Tod Ihrer Frau zu tun, Mr Hunter.“
„Und warum sind Sie dann mit ihr hier? Und küssen sie?“ Hunter fuchtelte wild mit der Waffe um sich. Speichel flog von seinen Lippen. „Sie sollte eigentlich Ihr Feind sein, Agent Novak!“
„Ihr Zorn ist unangebracht“, sagte Reid ruhig. „Caitlyn hat sich von ihrem Bruder entfremdet. Sie hat uns bei den Ermittlungen geholfen …“
„Sie sehen aus wie sie, wissen Sie.“ Hunter starrte Caitlyn immer noch unverwandt an. „Sie war blond, hübsch wie Sie … Warum hat er nicht Sie umgebracht?“
„I…Ich habe keine Ahnung“, flüsterte Caitlyn.
„Sie wussten die ganze Zeit, was mit ihm los war!“
Sie schüttelte ihren Kopf. „Nein! Bitte …“
„Ihre Familie hat ihn beschützt. Sie haben ihn mit dem Morden einfach weitermachen lassen! Wissen Sie, was er diesen Frauen angetan hat? Was er mit Julianne vorhatte, wenn das FBI sie nicht gefunden hätte? Dafür hat er ihr dann die Kehle durchgeschnitten!“
Reid versperrte Hunter den Weg, sodass er nicht näher kommen konnte. Er konnte spüren, wie Caitlyn zitternd hinter ihm stand. Wenn es sein musste, würde er sich auf Hunters Waffe stürzen.
„Hören Sie jetzt damit auf“, warnte er. „Ich werde nicht zulassen, dass Sie ihr wehtun.“
„Ich will einfach nur verstehen, warum …“
„Sie kann Ihnen nicht helfen.“
„Gehen Sie mir aus dem Weg!“
Caitlyn schrie auf, als sich Reid auf den anderen Mann stürzte, ihn nach hinten stieß und mit ihm zu Boden fiel. Hunters Arm schlug auf die nasse Erde, und die Waffe entlud sich mit einem Dröhnen. Hunter brüllte, trat um sich, kämpfte mit Reid, um die Oberhand zurückzugewinnen.
In diesem Augenblick befahl eine dritte männliche Stimme: „Das ist genug!“
Aus den Augenwinkeln bemerkte Reid eine vierte Gestalt in der verfallenen Mühle. Sie hielt ein Jagdgewehr im Anschlag.
„Ich sagte, das ist genug!“ Einen Sekundenbruchteil später regneten Stücke des Mühlendaches auf sie herunter. Manny Ruiz hatte in die Luft gefeuert. Er stand da, in Regenjacke und grünem Baseballcap, lud die Waffe durch und zielte mit dem langen Lauf auf Hunter.
„Geben Sie Agent Novak die Waffe! Sofort!“
Ein Rest von klarem Verstand musste in Hunters Kopf noch übrig geblieben sein, denn er hörte auf zu kämpfen, sodass Reid seinen Arm auf den Boden pressen und ihm die Waffe aus der Hand schlagen konnte. Sobald Reid die Kontrolle über die Waffe hatte, schob er sich keuchend rückwärts, bis er auf dem nassen, moosbedeckten Boden zu sitzen kam.
„Sind Sie okay, Caitlyn?“
„J…Ja“, antwortete sie auf Ruiz’ Frage, ihr Gesicht war blass. Sie und
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