Der Preis des Verrats (German Edition)
der Parkgarage gefahren kam. Auf der Fahrt zurück nach Middleburg hatte Caitlyn halb damit gerechnet, dass Reid sie anrief und sich nach ihr erkundigte, aber das Handy lag den ganzen Heimweg lang stumm in ihrer Handtasche.
Als das Telefon in der Küche klingelte, fuhr Caitlyn zusammen und verschüttete etwas Tee auf die Untertasse. Sie schaute zur Wanduhr, die wie eine schwarze Katze geformt war und mit ihrem Schwanz die Sekunden weiterschlug. Es war kurz nach drei Uhr morgens. Caitlyn wappnete sich und stand auf, um abzunehmen. Ihre innere Stimme sagte ihr, ein Anruf zu dieser späten Stunde konnte nur schlechte Nachrichten mit sich bringen.
„Hallo?“ Niemand antwortete, also wiederholte sie den Gruß. „Hallo?“
„Ms Cahill?“ Die Stimme der Frau klang zögerlich. „Hier ist Schwester Hillary von der Vinings Care Facility …“
Caitlyn sank das Herz.
„Ich rufe an wegen Ihrer Mutter, Caroline. Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber es hat einen Unfall gegeben.“
„Was ist passiert? Geht es ihr gut?“
„Sie ist aus ihrem Zimmer gelangt – wir verstehen wirklich nicht, wie das passieren konnte. Das letzte Mal, dass jemand nach ihr gesehen hat, war kurz nach elf, als die Nachtschicht begann“, erklärte die Krankenschwester hastig. „Wir haben angefangen, nach ihr zu suchen, sobald wir feststellten, dass sie verschwunden war …“
„Erzählen Sie mir einfach, was passiert ist.“
„Sie ist eine Treppe am Notausgang hinuntergefallen. Wir vermuten, dass sie da einige Stunden gelegen hat…“
„Oh, mein Gott.“ Caitlyn schloss die Augen, die Angst legte sich wie ein Stein auf ihre Brust. „Wie schlimm ist sie verletzt?“
„Wir haben sie in die Notaufnahme des George Washington University Medical Center bringen lassen. Ich denke, Sie sollten dorthin fahren.“ Die Krankenschwester zögerte wieder. „So bald wie möglich.“
„Ist sie bei Bewusstsein?“
„Es tut mir leid … ich bin mir nicht wirklich sicher.“
Caitlyn beendete das Telefonat und stand da wie gelähmt. Bilder von ihrer Mutter drängten sich ihr auf, Bilder von der lebenslustigen Frau, die sie gewesen war, bevor der Skandal um Joshuas Festnahme ihr das Herz brach. Bevor ihr Mann einen tödlichen Schlaganfall erlitt.
Ihre Mutter war alles, was ihr geblieben war.
Als sie in D. C. ankam, war es fast vier Uhr dreißig am Morgen. Draußen war es dunkel, und die Hauptverkehrszeit, zu der die Menschen zur Arbeit strömten, war noch weit entfernt. Caitlyn fuhr weiter über die Francis Scott Key Bridge in Richtung Georgetown. Bald ragten schroff die prächtigen Gebäude der George Washington University über dem dunklen Potomac auf, doch Caitlyn beachtete sie kaum. Auch nicht den gräulichen Mond, der tief am Himmel hing. Ihre Augen brannten vor Schlafmangel, aber sie fühlte sich aufgedreht und nervös. Alles, woran sie denken konnte, war, dass sie mit den Ärzten sprechen und herausfinden musste, wie schwer ihre Mutter verletzt war.
Sie wird wieder gesund werden .
Immer und immer wieder sagte sie sich diesen Satz vor, als sie in die Parkgarage des Krankenhauses fuhr, das Steuerrad fest umklammert. Sie fuhr drei Parkebenen nach oben, bis sie einige freie Parkplätze fand, dann rangierte sie den BMW in den erstbesten und stieg aus. Sie drückte auf den Schlüsselanhänger, um die Alarmanlage des Wagens zu aktivieren, hörte, wie daselektronische Zirpen in dem Gebäude aus Beton und Stahl widerhallte. Caitlyn ging zu den Fahrstühlen am anderen Ende der Parkgarage. Sie hatte sich hastig in ein Paar Jeans geworfen, einen weiten Pullover und eine Jacke. Ihre Stiefel dröhnten auf dem Betonboden. Leuchtstofflampen an der niedrigen Garagendecke hatten bislang ihren Weg beleuchtet, doch der Bereich vor dem Fahrstuhl war finster, als ob das Licht kaputtgegangen wäre. Sie trat ins Dunkel und beugte sich vor, um auf den Knopf zu drücken.
Plötzlich überkam sie ein Frösteln. Sie war nicht allein. Eine männliche Gestalt zeichnete sich bedrohlich in ihrem Augenwinkel ab. Caitlyn keuchte, drehte sich gerade noch rechtzeitig um. Der Schlag traf ihren Kopf nur an der Seite. Sterne explodierten vor ihren Augen, als sie auf den harten Betonboden vor dem Fahrstuhl fiel. Sie versuchte zu schreien, aber der Schlag hatte ihr den Atem geraubt, und aus ihrem Mund drang nur mehr ein Wimmern.
Caitlyn wehrte sich gegen den Schmerz in ihrem Schädel und bemühte sich, einen Blick auf ihren Angreifer zu erhaschen. Aber ihre
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