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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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für ein Idiot er war. Wieso hatte er das nicht kommen sehen? Als er gehört hatte, dass Brogan versetzt wird, hätte er Murtagh selbst anrufen und nachfragen müssen, wann er gebraucht wurde. Dann hätte er Healy wenigstens vorbereitet gegenübertreten und sich eine Antwort zurechtlegen können. Aber jetzt? Jetzt war er einfach in den Arsch gekniffen. Er sah den Reiseplan in der Hand an. Kaum war er aus dem Büro gekommen, hatte Noreen sich auf ihn gestürzt. »Es ist der Aer-Lingus-Flug um neun Uhr fünfzehn nach Madrid. Check-in ist um 8.15 Uhr, Ankunft …« Wieder hatte er kaum etwas mitbekommen. Ohne weiter nachzudenken, ging er zurück in den vierten Stock. Er sah, dass die Tür zum Einsatzzentrum offenstand und war sicher, dass der Raum jetzt leer war. Aber das war ein Irrtum. Ein böser Irrtum.
    »Wie geht’s, Inspector?«
    Herrgott noch mal, was zum Teufel hatte Cassidy hier zu suchen?
    »Sergeant? Ich dachte, wir würden Sie hier nicht mehr so schnell wiedersehen.«
    »So viel Glück haben Sie nicht«, grunzte Cassidy, nahm das mit Reißzwecken befestigte, auf DIN -A3 vergrößerte Foto von Catriona Plunkett von der Tafel und rollte es auf.
    Einen Moment schoss Mulcahy der schreckliche Gedanke durch den Kopf, dass auch Cassidy nicht zur Mordkommission versetzt worden sein könnte und er mit dem Mann zusammenarbeiten sollte, aber anscheinend blieb ihm zumindest diese Schmach erspart.
    »Ich bin gerade von der Obduktion des Mädchens gekommen«, sagte Cassidy. »Ich dachte, ich geh eben rein und hol den Rest hier ab. Sie war erst vierzehn, wussten Sie das?«
    In Cassidys Stimme lag echte Wut, und Mulcahy hatte den Eindruck, dass auch er etwas Ruhe und Zuflucht im leeren Einsatzzentrum gesucht hatte. Mulcahy dachte an das tote Mädchen und merkte, dass diese Tragödie ihn viel mehr belastete als die Probleme mit seiner Karriere.
    »Herrje, so jung«, sagte er. »Dann konnte sie aber ziemlich schnell identifiziert werden.«
    Cassidy nickte, nahm die Fotokopien der Laborberichte von der Wand und stapelte sie vor sich. »Paula Halpin aus Dartry. Sie wurde am Dienstagabend von ihren Eltern vermisst gemeldet. Ist zum Laden gegangen, um für ihre Mutter Kippen zu kaufen, und nicht mehr zurückgekommen.«
    »Gott, wie soll man mit so etwas leben?«, sagte Mulcahy, der an die Schuldgefühle der Mutter dachte. »Aus Dartry, haben Sie gesagt?«
    Irgendwie kam ihm das komisch vor. Es gab jedoch kein typisches Muster der Orte, an denen der Priester seine Opfer suchte. Cassidy sah ihn an, als wollte er sagen: Was ist damit?
    Mulcahy kümmerte sich nicht darum. »Und wie ist die Obduktion gelaufen? Ist die Todesursache schon bekannt?«
    Cassidy starrte ihn weiter an, als überlege er, ob er es ihm mitteilen sollte. Schließlich wandte er sich wieder ab und nickte. »Das vorläufige Ergebnis lautet, dass sie an einem schweren Koronarinfarkt gestorben ist.«
    »Ein Herzanfall?«
    »Ja, ausgelöst durch einen Schock aufgrund der schweren Verletzungen, meinte der Doc. Offenbar litt sie schon seit der Geburt an Herzrhythmusstörungen. Deshalb wollen sie sich die Leiche auch noch mal genauer angucken.«
    »Das arme Kind«, sagte Mulcahy kopfschüttelnd.
    »Das können Sie laut sagen«, murmelte Cassidy und stapfte davon.
    Der Long Hall war menschenleer. Die Mittagspause war längst vorbei, und für ein Feierabendbier im Pub war es noch zu früh. Mulcahy, der dankbar war, endlich allein zu sein, setzte sich an der langen Mahagonitheke auf einen Hocker, bestellte sich ein Bier und dachte an das letzte Mal, als er hier gewesen war – mit Siobhan Fallon. Und an die andere Nacht, die Nacht, die sie zusammen verbracht hatten, bevor die ganze Geschichte mit dem Priester losgegangen war. Herrgott, in letzter Zeit war wirklich alles in die Hose gegangen.
    Der Barkeeper musterte ihn mit einem eigenartigen Blick, als er das Glas vor ihn hinstellte, und Mulcahy merkte, dass er sich auf den Tresen gelehnt, sich die Schläfen massiert und wie ein Irrer in den riesigen viktorianischen Spiegel hinter der Bar gestarrt hatte. Er richtete sich auf, atmete tief durch und sammelte sich. Dann griff er nach dem Bier und nahm einen kräftigen Schluck. Sofort verströmte das kühle Stout in seinem Körper eine gewisse Ruhe. Doch der Gedanke, dass er die Stelle im Süden nicht bekommen hatte, machte ihn sofort wieder wütend. Er nahm noch einen Schluck Bier und versuchte, vernünftig über seine Situation nachzudenken. Brogan und ihre Leute könnten

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