Der Priester
der.«
»Und wann seid ihr wieder gegangen?«
Wieder blickte die Schülerin schuldbewusst zu Boden.
»Ziemlich spät. Mrs Mannion hat das nicht so gefallen …«
»Vergiss Mrs Mannion, Luisa. Wir interessieren uns nur für das, was mit Jesica passiert ist. Seid ihr zusammen nach Hause gegangen?«
»Nein.« Das Mädchen wirkte überrascht, dass diese Frage überhaupt gestellt wurde. »Nein, sie ist schon vorher gegangen, zusammen mit …« Und dann fiel der Groschen, die Peseta, der Cent oder was auch immer, ihre Augen weiteten sich, das Gesicht lief rot an, und plötzlich hatte sie Angst.
»Jesica … Ihr geht’s doch gut, oder?«
»Wie schon gesagt, sie ist in guten Händen, Luisa«, erwiderte Brogan. »Aber wir müssen wirklich wissen, mit wem sie im Club und auch hinterher zusammen war. Hat sie den Club mit jemand anders verlassen? Mit einem Jungen? Wolltest du das sagen?«
Wieder wirkte das Mädchen unsicher, ob sie antworten sollte oder nicht. Brogan nahm an, dass Jesica gegen eine sakrosankte Schulregel verstoßen hatte, indem sie den Club mit jemand anderem als einem Mitschüler verlassen hatte.
»Erzähl schon, Luisa. Wir verraten es niemandem. Es ist sehr wichtig. Ist sie mit einem Jungen zusammen gegangen?«
»Nein, kein Junge.« Sie zögerte. »Er war schon älter. Vielleicht zwanzig, einundzwanzig. Sie waren schon den ganzen Abend im Club zusammen. Sie wissen schon, haben getanzt und, äh, geknutscht. Sie hat gesagt, er bringt sie nach Hause. Er sah nett aus …« Wieder runzelte sie verängstigt die Stirn, versuchte zu begreifen, was passiert sein könnte. »War er das …?«
Noch bevor sie die Hälfte der Strecke zum Wagen geschafft hatten, zog Cassidy den Schlüssel aus der Hosentasche und öffnete das Schloss mit der Fernbedienung. Dieses prompte Klacken und Aufblinken von orangefarbenen Blinkern befriedigte ihn irgendwie. Mit einer eleganten Bewegung glitt er hinters Steuer, während Brogan sich unsanft auf den Beifahrersitz plumpsen ließ. Der lange Tag hatte beide ziemlich mitgenommen.
»Okay«, sagte Brogan. »Lass uns noch am Club halten und sehen, ob wir vielleicht ein paar Bilder aus einer Überwachungskamera kriegen können. Das muss heute noch sein, sonst überspielen die sie womöglich noch. Danach ist Feierabend. Du siehst ganz schön geschafft aus.«
Cassidy widersprach ihr nicht. Das hätte er auch ein paar Stunden vorher schon nicht getan.
»Und wenn wir da sind«, fuhr Brogan fort, »kannst du dann eben noch Maura und Donagh kurz anrufen und sie bitten, morgen früh gleich zur Sprachschule zu gehen, um Aussagen von den anderen Kindern aufzunehmen, die Luisa eben erwähnt hat. Das müsste so gegen elf erledigt sein, also ruf die anderen auch gleich an und sag ihnen, dass ich alle um Punkt elf zu einer ersten Besprechung auf dem Revier sehen will.«
Cassidy stöhnte innerlich. Wenn er um diese Zeit dem ganzen Team hinterhertelefonieren musste, dauerte es wahrscheinlich noch ein paar Stunden, bis er an der Matratze horchen konnte. Aber daran dachte Brogan überhaupt nicht – absolut nicht. Die waren doch alle gleich. Und was diesen Wichser im Krankenhaus betraf – Mulcahy, anders konnte man den doch nicht bezeichnen, oder? Wenn er den Namen schon hörte, fing er vor Wut an zu kochen. Für wen hielt der sich, da so herumzustolzieren, als hätte er das große Sagen? Und wie er um diesen eingebildeten, spanischen Gecken herumscharwenzelt war und sich immer wieder entschuldigt hatte. Wenn der ihm noch einmal über den Weg lief, würde er ihn auf die eine oder andere Art dafür büßen lassen. Cassidy kramte das Handy aus seiner Tasche, um den Rundruf zu starten, als ihn das Zirpen von Brogans Handy unterbrach. Er wartete, bis sie sich meldete, eine Grimasse zog und tonlos »Healy« sagte.
»Sir?«
Cassidy sah sie weiter an. Seine Neugier wuchs, als Brogans Stirnrunzeln immer intensiver wurde, bis ihre Augenbrauen sich fast berührten.
»Okay, Sir, ja … Ja, gleich morgen früh.«
Brogan verabschiedete sich mit zusammengebissenen Zähnen und legte auf.
»Verdammte Scheiße noch mal«, schrie sie und schlug mit der Hand aufs Armaturenbrett. Das war der größte Gefühlsausbruch, den Cassidy bei ihr je gesehen hatte. »Du wirst nicht glauben, was der verdammte Healy getan hat.«
Mulcahy trat gerade noch rechtzeitig auf die Bremse und sparte sich damit eine neue Lackierung. Er dachte, in den letzten Monaten hätte er sich endlich an die absurd schmale Einfahrt zur
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