Der Priester
Doppelhaushälfte seiner Eltern in Milltown gewöhnt. Aber in der Dunkelheit, seine Reaktionen von den Drinks leicht verlangsamt, hatte er das Lenkrad zu stark eingeschlagen und gerade noch rechtzeitig anhalten können, bevor er den Torpfosten streifte. Er legte den Rückwärtsgang ein, rangierte kurz und fuhr dann langsam auf das schmale Handtuch von einer Betonfläche, die die Einfahrt darstellen sollte. Als er hier ausgezogen war, hatte er noch nicht einmal einen Führerschein gehabt.
Er blieb noch einen Moment im Wagen sitzen und schimpfte mit sich selbst, weil er ein paar Drinks zu viel getrunken und sich dann noch ans Steuer gesetzt hatte. Er war nicht in Spanien, und die Zeiten, wo man nach dem Vorzeigen des Dienstausweises mit einem kurzen Nicken von den Kollegen der Verkehrspolizei zum Weiterfahren aufgefordert wurde, waren vorbei. Es waren schon Leute wegen geringerer Vergehen entlassen worden, und seine Situation war so schon prekär genug. Aber war das nicht sowieso das Problem? Die Vorzeichen für ein Date waren von Anfang an nicht gut gewesen – das Gespräch im Krankenhaus hatte ihm zu schaffen gemacht, und der Ärger über den verpassten Segelausflug war auch noch nicht ganz verraucht. Doch der Reiz, sich mit Siobhan Fallon zu treffen, war zu verlockend gewesen. Zumindest etwas Angenehmes sollte der Tag doch zu bieten haben. Und zwischendurch hatte es auch ganz gut ausgesehen, nachdem sie vor der Türe zusammen geraucht hatten. Vom ersten Augenblick an, noch bevor er ihr da draußen Feuer gegeben und zugesehen hatte, wie sich ihre Lippen um die Zigarette schlossen und sie den Rauch einsog, hatten sie geplaudert wie zwei alte Kumpel. Über Mark, seine Party und die anderen Gäste, die sie dort kannten. Zum Schutz vor dem Regen hatten sie sich unter dem schmalen Dach des Long Hall zusammengekauert, und er hatte still in sich hineingelächelt, als er sich vorstellte, wie sie aussehen mussten. Er groß und kräftig, mit derben Zügen, überragte die zierliche Siobhan, die den Kopf in den Nacken legen musste, um lachend zu ihm aufzublicken. Trotz ihrer hohen Absätze reichte sie ihm kaum bis zu den Schultern.
Doch nachdem sie wieder hineingegangen waren, konnten sie das Thema Arbeit nicht lange umschiffen. Sie spielte in ihren beider Leben einfach eine viel zu große Rolle. In ihrem schien es jedenfalls kaum etwas anderes zu geben. Und soweit er das beurteilen konnte, gab es wohl auch keinen Mann. Immerhin gelang es ihnen, das Gespräch allgemein zu halten. Sie erzählte von ein paar ihrer bedeutenden Storys, dass »Chefreporterin des Herald « zwar ein guter, wenn auch nicht unbedingt ein ehrfurchtgebietender Job wäre und dass sie noch höher hinauswollte. Als sie sich ein weiteres Mal nach seiner Arbeit in Madrid erkundigte, erzählte er mehr über seine Stelle bei Europol und über die Unterschiede zwischen der nachrichtendienstlichen Tätigkeit und der normalen Polizeiarbeit. Er bot ihr sogar ein paar Informationen über die länderübergreifende Verbrechensprävention der EU an, falls sie etwas darüber schreiben wollte. Zu dem Zeitpunkt war er sich allerdings auch schon ziemlich sicher, dass sie Interesse an ihm hatte, nicht nur an einer Story.
Der Regen fing an, laut aufs Autodach zu trommeln, und riss Mulcahy aus seinen Gedanken. Dicke Tropfen schlugen auf die Windschutzscheibe und liefen langsam daran hinunter. Vor der langen, schwarzen Motorhaube blickte er auf die geschlossene Garagentür, hinter der der Nissan Almera seines Vaters stand. Wie auch alles andere darin, seit fast einem Jahr so gut wie unberührt. Das gehörte jetzt ihm. Und wie alles andere, wollte er es nicht haben. Er fand es schon unerträglich, sich gelegentlich hinters Lenkrad zu setzen und den Motor eine Weile laufen zu lassen. Er fühlte sich nicht gut dabei. Irgendwann war er losgegangen und hatte sich einen eigenen Wagen gekauft. Nichts Besonderes, einen großen, alten Saab. Mehr konnte er sich von seinem gesenkten Gehalt nach Abzug der Hypothek für die Wohnung in Madrid nicht leisten. Aber wenn er jetzt nachts aufwachte und aus dem Fenster schaute, sah er wenigstens etwas, das ihm gehörte.
Er klaubte die Sachen auf dem Beifahrersitz zusammen und hastete zur Haustür. Die Tüte vom Takeaway in Ranelagh war ihm im Weg, als er den Schlüssel ins Loch stecken wollte. Wenn ihn jetzt jemand sah, hielt er ihn vermutlich für betrunken, dachte er, obwohl das nicht zutraf.
»Dann haben Sie sich in Madrid offenbar
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