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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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wohlgefühlt?«, hatte Siobhan gefragt und sich interessiert vorgebeugt, während die Kronleuchter an der Decke ihre Augen zum Funkeln brachten.
    »Ich fand es großartig. Es ist mit großem Abstand der beste Ort, an dem ich je gearbeitet habe. Da ist unglaublich viel los, so viel Leben auf den Straßen, in der heißen Sonne. Das war toll, wenigstens das meiste.«
    »Und warum sind Sie dann zurückgekommen?« Sie lehnte sich etwas zurück. »Am Wetter kann’s ja wohl kaum gelegen haben?«
    »Nein, am Wetter lag’s nicht«, sagte er und versuchte, die plötzlich leicht belegte Stimme mit einem Lachen zu überspielen. »Die Entscheidungsträger haben beschlossen, in Lissabon ein neues Einsatzzentrum gegen den Drogenhandel im Atlantik zu gründen, das MOAC .«
    Siobhan nickte. »Ja, ich glaube, ich hab was darüber in der Irish Times gelesen. Das ist so eine Art Nachrichtendienst für die Bekämpfung des weltweiten Drogenhandels, oder?«
    »Genau. Von dort soll in erster Linie der Drogentransport auf dem Atlantik überwacht werden, aber es sollen auch Einsätze koordiniert, die Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten anderer Länder verbessert werden und so weiter.«
    »Klingt spannend.«
    »Ist es auch. Oder das wäre es zumindest gewesen«, sagte er wehmütig. »Na ja, um es kurz zu machen, das war das Ende der Dienststelle in Madrid, und alle sind nach Lissabon gegangen – meine Stelle war auch dabei.«
    »Und warum sind Sie nicht mitgegangen?«
    Diese Frage wurde ihm heute schon zum zweiten Mal gestellt. Wie oft man sie ihm in den sechs Monaten seit seiner Rückkehr gestellt hatte, konnte er beim besten Willen nicht sagen. Und die Tatsache, dass Siobhan zu den wenigen Menschen gehörte, die sich wirklich für die Antwort zu interessieren schienen, machte es ihm nicht leichter.
    »Ich hätte mitgehen können, hab’s aber dann gelassen. Das ist, wie schon gesagt, eine lange Geschichte.«
    Er sah auf die Uhr, um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen.
    »Dann schießen Sie mal los. Ich habe den ganzen Abend Zeit.«
    Er blickte noch rechtzeitig auf, um das Lächeln zu sehen, das ihre Lippen umspielte. Eines Tages, dachte er, würde er vielleicht neben diesen Lippen und diesen Augen aufwachen, sich in ihrem Licht wie in dem der Morgensonne baden und glücklich und zufrieden sein. Aber nicht morgen – nicht wenn es bedeutete, dass er zuerst durch den Morast des letzten halben Jahrs – und des Jahrs davor – waten musste.
    »Tut mir leid«, sagte er schließlich. »Das ist zu kompliziert. In der Zeit ist noch mehr passiert. Ich möchte jetzt nicht darüber reden.«
    »Schon okay«, sagte sie, allerdings sichtlich überrascht von seiner Zurückhaltung. »Wäre ja furchtbar, wenn wir zu dieser späten Stunde plötzlich über ernste Themen sprechen müssten.« Sie brachte den Rest ihres Drinks im Glas zum Kreisen, trank ihn dann ex aus, nickte in Richtung seines leeren Glases und sagte: »Meine Runde. Noch mal das Gleiche?«
    Danach war der Zauber des Abends jedoch verflogen, und obwohl sie noch ein paar Bier tranken und dabei fröhlich plauderten, beschlossen sie doch, ziemlich früh zu gehen. Er hoffte, dass er nicht alles kaputtgemacht hatte. Als er zum Abschluss gesagt hatte, dass er sie gern wiedersehen würde, hatte sie ihn angelächelt und erwidert, dass es ihr genauso ginge. Und sie hatte sich auf die Zehenspitzen gestellt, während er sich zu ihr herunterbeugte, um ihr einen Wangenkuss zu geben. Da war etwas zwischen ihnen. Jetzt musste er nur aufs nächste Mal warten und dort weitermachen, wo sie vorhin aufgehört hatten.
    Der schale Geruch der Vergangenheit seiner Eltern holte ihn zurück in die Gegenwart, als er die Tür hinter sich schloss. Die immer noch deutliche Erinnerung an die Angestellten vom Bestattungsinstitut, die die sterblichen Überreste seiner beiden Eltern innerhalb eines halben Jahres durch diese Tür getragen hatten, schmerzte jeden Abend seit seiner Rückkehr. Ohne das Licht einzuschalten, ging er in die Küche. Die ausgebleichte, grüne Tapete, den abgewetzten Teppich, den halbrunden Telefontisch und den Garderobenständer im Flur musste er nicht unbedingt sehen. Er wusste längst, dass alles von einer dünnen Staubschicht bedeckt war. Die kleine rote Lampe des Anrufbeantworters blinkte ihn an, er ignorierte sie jedoch und ging einfach vorbei.
    Mulcahy schaltete das Licht in der Küche an. Er versuchte mit allen Mitteln, die bedrückende Atmosphäre des Hauses von sich fernzuhalten.

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