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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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Die paar Stunden, die er es hier aushielt, verbrachte er fast ausschließlich in der Küche und dem Gästezimmer. Manchmal stellte er sich im Wohnzimmer für die Nachrichten den Fernseher an, setzte sich aber nicht, sondern hörte nur aus der Küche zu. Was das Gästezimmer betraf, hatte er keine Wahl. Sein eigenes Zimmer mit dem schmalen Einzelbett und dem Schrank voller Erinnerungsstücke an seine Kindheit kam ihm so klein und beengt vor wie ein Sarg.
    Er kippte die schwach dampfende, klebrige Masse aus Nudeln, Wasserkastanien und blassen Hühnerstücken aus dem Take-away auf einen Teller, nahm eine Flasche Navarra aus dem Regal, entkorkte sie und goss etwas in ein kleines, kurzstieliges Glas. Auf den einen Drink kam es jetzt auch nicht mehr an. Als er sich umdrehte, fiel ihm ein eigenartiger orangefarbener Schimmer über der hochgewucherten Hecke hinten im Garten auf. Es flackerte wie ein Feuer. Mit dem Glas in der Hand ging er die Treppe hinauf und weiter nach hinten in sein ehemaliges Jugendzimmer. Vom Fenster aus konnte er über mehrere hohe Hecken in einen kleinen Park blicken. Der »Park« bestand nur aus ein paar Hektar Rasen mit ein paar kümmerlichen Gehölzen, trotzdem war er in seiner Kindheit ein wichtiger Bestandteil seiner Welt gewesen – ein Ort, den Cowboys durchstreiften und an dem zukünftige Fußballstars die schönsten Tore ihres Lebens schossen. Als er jetzt dorthin blickte, sah er ein kleines Lagerfeuer auflodern, in das ein weiteres Scheit hineingeworfen wurde. Die Flammen erleuchteten die Gesichter der fünf oder sechs Jugendlichen, die sich unter einem improvisierten Zelt aus Plastikplanen gegen den Regen zusammengekauert hatten. Er dachte an sein Nachtmahl, das in der Küche kalt wurde, verspürte aber nicht den Drang, zurückzugehen und es zu essen. Die Szene draußen zog ihn in ihren Bann, erfüllte ihn mit Erinnerungen an die Tage, als er mit seiner Gang am Lagerfeuer gesessen hatte.
    Das tut dir nicht gut, dachte er. Es kann einfach nicht gut sein, in einem Haus zu leben, das sich von Tag zu Tag mehr in ein Mausoleum verwandelt.
    Plötzlich schienen die Gesichter von all den Menschen, die ihn beschäftigten, vor seinem inneren Auge aufzuleuchten. Sie tanzten vor den lodernden Flammen: seine Eltern, die Freunde und Kollegen aus Madrid, seine Exfrau Gracia und auch dieser verdammte Brendan Healy, sein aktueller Chef. Die Bilder verschwanden jedoch sofort wieder, und damit kehrte so etwas wie Frieden in ihm ein. Im Fenster sah er nur noch Dunkelheit und sein eigenes Spiegelbild. Ihm wurde bewusst, dass er monatelang in Dublin kaum mehr getan hatte, als sich zu verstecken, seine Wunden zu lecken und möglichst nicht vor Selbstmitleid und Enttäuschung zu vergehen. Das war nie seine Art gewesen.
    Er drehte sich um und betrachtete das unbewohnte Zimmer, als sähe er es zum ersten Mal: Die durchgelegene alte Matratze, die seit Jahren unbenutzt auf dem Bett lag, die Schachteln mit gesammelten Überresten seiner Kindheit und Jugend, ein herabhängendes Tapetenstück, das sich über dem Fenster gelöst hatte. Er ließ den Wein im Glas kreisen und trank ihn aus. Das Haus bedeutete ihm eigentlich nichts. Ohne seine Eltern war es nur eine Ansammlung leerer Räume. Mit einem grimmigen Lächeln erinnerte er sich daran, dass er den größten Teil seiner Teenagerjahre davon geträumt hatte, aus ihm herauszukommen. Er war nur zurückgekehrt, weil es bequem und vertraut war, schließlich hatte er es lange als sein Zuhause bezeichnet. Sich um den Verkauf zu kümmern, war ihm einfach zu viel gewesen.
    Tja, das würde sich ändern. Morgen würde er das tun, was er schon seit Monaten auf die lange Bank schob: Obwohl die Preise für Häuser und Wohnungen sich im freien Fall befanden und trotz der vielen Erinnerungen, die daran hingen, würde er das Haus auf den Markt werfen. Nur so hatte er überhaupt eine Chance, irgendwie ein Stück voranzukommen.

4
    Mulcahy wartete, bis die glänzende Luas-Straßenbahn vorbeigefahren war, dann fädelte er den Saab langsam in den Verkehrsstau am oberen Ende der Abbey Street ein. Es war ein herrlicher Morgen. Der strahlend blaue Himmel hatte alle Spuren des vorabendlichen Regens ausgelöscht. Selbst Mulcahys düstere In-sich-Gekehrtheit war verschwunden. Gleich nach dem Aufstehen hatte er ein paar Makler angerufen. Sie hatten ihm keine großen Hoffnungen auf einen schnellen Verkauf gemacht, aber allein die Gespräche hatten ihm schon eine große Last von den Schultern

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