Der Priester
zu verfolgen. Aber warum hatte sie niemandem etwas davon erzählt? Und warum hatte sie sich drei Stunden später immer noch nicht gemeldet? Das Besorgniserregendste war ihr Handy. Warum, zum Teufel, erreichte er sie nicht? Er wollte nicht an das Schlimmste denken, bekam diese Möglichkeit jedoch nicht aus dem Kopf.
Halb gehend, halb rennend verließ er das Flughafengebäude in Richtung des Parkhauses. Als er im Saab saß, legte er einen Moment lang die Stirn auf das kühle, schwarze Leder des Lenkrads, schloss die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. In ihrer Wohnung nachzusehen hatte keinen Sinn. Er erinnerte sich auch kaum noch, in welcher Straße sie war, geschweige denn an die Hausnummer. Und wenn sie da sein sollte, ging es ihr auch gut, dann herrschte keine Eile. Eigentlich war nur wichtig, ob sie zu Rinn gefahren war – ansonsten spielte ihr Aufenthaltsort keine Rolle. Damit gab es für ihn exakt einen Handlungsauftrag: Fahr rüber nach Palmerston Park, guck dir das Haus an, lass Rinn festnehmen und Handschellen anlegen. Wenn Siobhan noch da war, umso besser. Wenn nicht, änderte das auch nichts.
Die Tachonadel immer nah am roten Bereich hatte er die Hälfte der Strecke auf der M1 hinter sich, als ihm dämmerte, dass es nicht schaden konnte, jemanden dabeizuhaben, der ihm etwas Rückendeckung gab. Trotz allem versuchte er es wieder bei Brogan, landete jedoch wie erwartet direkt auf der Mailbox. Er hinterließ eine Nachricht, hegte aber keine große Hoffnung. Sie würde ihn bestimmt nicht zurückrufen. Nicht um diese Zeit. Also probierte er es bei Liam Ford – wahre Freunde erkannte man schließlich erst in der Not und so weiter. Doch auch hier kam er kein Stück weiter als bis zur Mailbox. Mist. Samstagabend. Liam war vermutlich irgendwo auf Sauftour. Lohnte es sich, eine Nachricht zu hinterlassen? Wieso nicht?
»Liam, hier ist Mike. Ich brauche deine Hilfe. Kannst du mich so bald wie möglich zurückrufen?«
In diesem Moment fiel ihm noch eine weitere Person ein. Dann mal schnell, Baby. Es wäre zwar eine Art Rache, allerdings nicht die Art, die er sich vorgestellt hatte. Schon bei dem Gedanken packte ihn die Wut. Aber hatte er eine andere Wahl? Es war das einzige kleine Druckmittel, das ihm noch zur Verfügung stand. Er nahm den Fuß vom Gas, und als er auf ein gerades Stück kam, blickte er auf sein Handy herunter, blätterte die Anrufliste durch und tippte mit dem Daumen auf eine Nummer. Es sprach nichts dagegen, die Sache jetzt gleich zu klären.
Palmerston Park war dunkel, leer und totenstill. Mulcahy röhrte die Straße in seinem Saab entlang und hielt mit quietschenden Reifen hinter einem schmutzig blauen Golf GTI . Als er aus dem Wagen sprang, stieg auch der Besitzer des Golfs aus, ging nach hinten und starrte auf die schmale Lücke zwischen den beiden Autos.
»Allmächtiger Gott, noch ein paar Zentimeter weiter, dann hätten Sie mir die hintere Stoßstange abgefahren. Was zum Teufel soll der Scheiß? Ich dachte, Sie wären von dem Fall abgezogen?«
Sergeant Cassidy schien gar nicht erbaut darüber zu sein, seinen Samstagabend unterbrechen zu müssen. Und Mulcahy war nicht in der Stimmung, ihn zu besänftigen.
»Bleiben Sie ruhig, Sergeant. Ich hab keine Lust, mir Ihren Mist anzuhören. Passen Sie einfach auf, okay?«
Cassidy sah ihn wütend an. Am Telefon war Mulcahy sehr kurz angebunden gewesen, hatte ihm nur Rinns Adresse gegeben und ihm gesagt, dass er sich da einfinden solle, und zwar schnell, Baby – wenn er seinen Job am Montag noch haben wolle. Es war ein Risiko, das wusste er, aber Cassidy als Rückendeckung zu haben war besser als nichts, besonders jetzt, wo er ihn in der Hand hatte. Für Erklärungen hatten sie später noch Zeit.
Mulcahy blickte die Straße auf und ab und sah genau das, was er nicht zu sehen gehofft hatte: Das rote Alfa-Spider-Coupé parkte etwa dreißig Meter die Straße hinunter. Er zeigte darauf.
»Erkennen Sie den Wagen?«
Cassidy sah es mit leerem Blick an, dann hellte ein Schimmer der Erkenntnis seine Züge auf.
»Ganz genau, Sergeant. Das ist das Auto Ihrer Geldgeberin, und die befindet sich in großen Schwierigkeiten.«
Cassidy wirkte völlig ratlos, als wüsste er nicht, ob er protestieren sollte oder nicht, oder wie er überhaupt damit umgehen sollte.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen, Inspector, aber Sie machen einen großen …«
»Wenn ich unrecht hätte, wären Sie nicht hier, also halten Sie einfach den Mund«, zischte Mulcahy ihn an. Er
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