Der Priester
erreicht.«
»Was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass dieser kleine Drecksack heute Morgen ins Krankenhaus marschiert ist und da mit einer Anordnung herumgewedelt hat, die besagte, dass sie das Mädchen in seine Obhut entlassen sollen.«
»Von wem haben Sie das erfahren? Doch nicht von Healy?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe im Krankenhaus angerufen, um mich zu erkundigen, wie es Jesica geht, worauf die mir gesagt haben, dass sie vor ein paar Stunden entlassen worden ist. An Healy hatte ich überhaupt nicht gedacht. Wie um alles in der Welt soll ich ihm das erklären?«
»Das brauchen Sie nicht«, sagte Mulcahy. »Das ist nicht Ihr Problem. Die Botschaft hat das zu verantworten, also sollen die das auch erklären. Sagen Sie erst mal gar nichts. Warten Sie, bis ich mit Ibañez telefoniert und ihm die Leviten gelesen habe.«
»Zu Hause?«, keuchte Mulcahy, der seinen Ohren nicht traute. »Sie wollen sagen, dass Sie sie nach Spanien gebracht haben, also außer Landes?«
»Aber selbstverständlich.« Jetzt klang Ibañez überrascht. »Wohin hätten wir sie denn sonst bringen sollen?«
Mulcahy war vollkommen schockiert. Er hatte sich darauf vorbereitet, Ibañez einen kleinen Tadel zu erteilen, weil er Jesica Salazar, ohne ihn zu informieren, in ein anderes Krankenhaus hatte verlegen lassen. Aber jetzt erzählte ihm der spanische Botschaftsrat, dass sie das Mädchen in ein Flugzeug gesetzt hatten, das schon fast wieder in Spanien war. Das Telefon noch ans Ohr gepresst, fuhr Mulcahy sich mit der Hand durch die Haare. Was für eine Katastrophe – das musste doch irgendjemand bemerkt haben.
»Warum haben Sie uns nichts davon gesagt?«
»Bitte, Inspector, es gibt keinen Grund, wütend zu werden. Die Entscheidung lag nicht bei mir.« Ibañez’ Stimme klang jetzt etwas gepresst. »Wie Sie wissen, ist Jesicas Vater ein sehr einflussreicher Mann. Er wollte, dass seine Tochter wieder nach Spanien zurückkommt, in seine Nähe, in ihr Heimatland, wo sie in Sicherheit ist und keine weiteren Verletzungen befürchten muss, weder physischer noch psychischer Art.« Er wartete einen Moment, um die Spitze wirken zu lassen. »Womöglich hätte Don Alfonso nicht so sehr darauf gedrängt, wenn Ihre Kollegen nicht diesen schändlichen Versuch unternommen hätten, Jesica zu vernehmen, obwohl sie dafür noch längst nicht bereit war. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen kann ich durchaus nachvollziehen, warum er sich nicht mit, äh, Feinheiten beschäftigt hat, sondern garantiert haben wollte, dass seine Tochter ohne jede Verzögerung in Sicherheit gebracht wird.«
»Machen Sie sich nicht lächerlich«, knurrte Mulcahy ins Telefon. »Sie war nie wirklich in Gefahr, und das wissen Sie ganz genau. Das Ganze führt nur dazu, dass unsere Ermittlungen in der Luft hängen.«
»Und genau aus diesem Grunde wollte ihr Vater, dass Jesica in die Heimat überführt wird, Inspector. Weil das, wie Ihre Reaktion nur allzu deutlich zeigt, die einzige Möglichkeit war, ganz sicher zu sein, dass sie nicht noch einmal von Ihren Beamten dazu gezwungen werden würde, über diesen schrecklichen Vorfall zu sprechen, bevor sie dazu in der Lage ist. Was, wie ich hinzufügen möchte, laut Auskunft unserer Ärzte noch eine ganze Weile dauern wird. Daher entschuldige ich mich nicht bei Ihnen, Inspector. Wir haben keinen Fehler gemacht. Wir haben alle erforderlichen Genehmigungen eingeholt, auch die Ihrer Regierung. Wenn man Sie davon nicht in Kenntnis gesetzt hat, können Sie uns nicht die Schuld daran geben.«
Als Mulcahy Brogan die Information übermittelte, wäre ihr fast die Luft weggeblieben.
»Madrid? Herrgott noch mal! Dann können wir uns ja gleich von der Hoffnung verabschieden, diesen Scheißdreck schnell aufzuklären. Wie sollen wir denn jetzt an eine Aussage rankommen? Oder einen Verdächtigen identifizieren, falls wir einen festnehmen?«
»Nach den Vorkommnissen im Krankenhaus hatten die Spanier wohl kein großes Vertrauen mehr in uns.« Mulcahy sah Cassidy an. »Aber eins versteh ich überhaupt nicht. Wie kommen Sie darauf, dass ich gewusst hätte, dass sie das Mädchen wegschaffen? Oder dass ich Ihnen das dann nicht mitgeteilt hätte?«
Brogan war so anständig, etwas rot zu werden. »Sie sind doch für den Kontakt zur Botschaft zuständig. Wer, wenn nicht Sie, hätte etwas davon wissen sollen?«
Er spürte, dass sein Ärger über Brogan schwand und sich wieder auf den Punkt richtete, auf den er schon die ganze
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