Der Priester
sich wieder zu ihr umgedreht hatte. »Das war allerdings, bevor ich heute im St. Vincent’s war und Ihr Name in Verbindung mit einer Story gefallen ist, für die ich mich interessiere.«
Dass sie ihn kalt erwischt hatte, ließ sich nicht bestreiten. Er versuchte, keinerlei Reaktion zu zeigen, was ihm nicht gelang. Er sah, wie sie sich an seiner Überraschung ergötzte. Er wusste nicht, ob ihre Bemerkung einfach nur ein Schuss ins Blaue war, es klang jedoch nicht so. Am besten wäre es, das Thema ganz ruhig zu einem Abschluss zu bringen – oder vielleicht auch noch herauszubekommen, was sie wirklich wusste.
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Siobhan.«
»Ach, hören Sie auf damit, Mulcahy. Nach allem, was ich mir mühsam zusammengesammelt habe, wurde am Wochenende ein junges Mädchen vergewaltigt und misshandelt. Die Beschreibung klang absolut furchtbar. Aber aus irgendeinem seltsamen Grund krieg ich aus meinen Kontaktleuten bei der Garda so gut wie keinen Ton heraus. Und wenn, dann haben sie große Angst. Plötzlich flüstert mir dann ein Vögelchen zu, dass Mike Mulcahy an dem Fall mitarbeitet, und ich denke, Moment mal, Vergewaltigung und Drogen? Und wenn das stimmt, dann geht’s nicht um irgendwelche Kleinkriminelle, sondern um internationalen Drogenhandel, das ganz große Geschäft. Herrgott noch mal, man kann mir doch keinen Vorwurf daraus machen, dass ich da neugierig werde.«
Jetzt reichte es ihm. »Wechseln Sie das Thema, Siobhan.«
»Warum sollte ich?« Ein Hauch von Empörung schwang in ihrer Stimme mit, als wäre nicht sie diejenige, die gerade aus der Rolle fiel.
»Weil nicht die leiseste Chance besteht, dass ich auch nur ein Wort darüber sage. Hören Sie, ich habe das, was ich auf der Mailbox hinterlassen habe, genau so gemeint. Ich wollte Sie wiedersehen und habe gehofft, dass es Ihnen genauso geht. Wenn ich mich geirrt habe, tut es mir leid. Ich bin ein Idiot, okay? Dann brauchen wir die Sache aber nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Wir beenden das Ganze, und ich rufe mir ein Taxi.«
Sie schien einen Moment lang darüber nachzudenken, dann sah er, wie die Anspannung aus ihrem Körper wich und sie sich zu ihm herüberbeugte.
»Ach, kommen Sie. Sie wissen doch ganz genau, dass ich nicht deshalb mit Ihnen hier rausgefahren bin. Ich hab mich wirklich über Ihre Nachricht gefreut. Und auch auf das Wiedersehen. Aber dann ist Ihr Name heute aufgetaucht, und, na ja, da musste ich diese Fragen einfach stellen.«
»Schon möglich. Trotzdem mussten Sie mich nicht so in einen Hinterhalt locken, oder?«
Jetzt schien sie sich wirklich zu ärgern.
»Das hatte ich nicht vor. Also, wenn es mir nur darum gegangen wäre, hätte ich Sie damit überfallen können, als Sie aus dem Präsidium gekommen sind. Wahrscheinlich hätte ich das auch tun sollen, da sahen Sie nämlich aus, als schwebten Sie in ganz anderen Sphären. Da hätte ich vermutlich eine größere Chance gehabt, Ihnen eine Antwort zu entlocken. Aber das hab ich nicht getan.«
Er musste lachen. »Okay, da könnte was dran sein. Nur eins noch: Wenn es möglich wäre, würde ich Ihnen helfen. Ich bin jedoch absolut die falsche Person.«
»Und mit wem sollte ich sonst sprechen?«
»Haben Sie es mal bei der Pressestelle der Garda probiert?«
»Sehr witzig. Sie wissen ganz genau, dass die nur Pressemeldungen vorlesen und Statistiken herunterrasseln.«
»Tut mir leid, das ist das Einzige, was ich tun kann. Es wird auch das Einzige bleiben, was ich in der Beziehung je tun kann.«
Sie lächelte ihm zu, als mache ihr die Unterstellung nichts aus.
»Gut, dann werde ich versuchen, das Thema nicht wieder aufs Tapet zu bringen. Heißt das, Sie bleiben zum Essen hier?«
»Das wäre mir recht«, sagte er und entspannte sich langsam wieder.
»Mir auch.« Sie lächelte. »Aber erzählen Sie mir wenigstens, was zum Teufel Sie jetzt tun? Oder ist das auch so ein Staatsgeheimnis?«
»Ich wollte nichts verheimlichen. Es ist bloß so, dass es ziemlich kompliziert ist – absolute Scheiße, wenn Sie es genau wissen wollen. Und da sind auch ein paar Dinge, na ja, um ehrlich zu sein, sind das die Dinge, darüber spricht man nicht bei einem ersten … äh …«
»Date?«, warf Siobhan hilfsbereit ein.
»Yep«, sagte Mulcahy. »Ich weiß nicht, ob Mark Ihnen das erzählt hat, jedenfalls hatte ich in Madrid geheiratet.«
Siobhan schien keineswegs überrascht zu sein. Sie reagierte fast gar nicht, nickte nur kurz aufmunternd. Wahrscheinlich schützte sie
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