Der Priester
Laune Aidan sie zu Hause empfangen würde. Als sie aufstand und sich nach vorne streckte, um ihre Jacke vom Kleiderständer zu nehmen, schoss ihr ein stechender Schmerz in die Schulter. Sie schnappte nach Luft. Zum Teufel mit diesem Job und den ewigen Überstunden.
Sie hatte gerade auf den Fahrstuhlknopf gedrückt, als Cassidy aus der Herrentoilette kam, sich heftig die Hände rieb und ungewohnt lebhaft wirkte.
»Herrje, Andy, jetzt wäre mir bald das Herz stehen geblieben. Ich dachte, ich wäre die Einzige, die noch da ist.«
»Ich musste noch ein paar Dinge erledigen, Chefin.«
Der Fahrstuhl meldete mit einem Ping! seine Ankunft an, und die Türen öffneten sich. Brogan trat ein, aus irgendeinem Grund folgte Cassidy ihr jedoch nicht.
»Kommst du nicht mit?«
»Äh, nein«, sagte er zögernd. »Noch nicht. Ich muss noch mit jemandem reden.«
Die Fahrstuhltür schloss sich mit einem dumpfen Schlag, und auf Cassidys Gesicht breitete sich wieder ein Grinsen aus. Er öffnete die Tür zum Treppenhaus neben dem Fahrstuhl, ging vor sich hin summend eine Etage hinunter und dann weiter zu einem kleinen Büro am Ende des Flurs, während er die süße Rache schon fast im Mund schmecken konnte. Manchmal fiel einem der Ball direkt vor die Füße, und man musste nichts weiter tun, als ihn aufzuheben und damit loszurennen.
»Wie sieht’s aus, Mattie – alles im Lack?«
Der Garda Mattie Creasy, der ohne Jacke und mit hochgekrempelten Hemdsärmeln vor der Reihe Monitore saß, blinzelte kurz, als das grelle Licht aus dem Flur in den düsteren Überwachungsraum fiel. Der Endfünfziger hielt sich tapfer. Es gab nur noch wenige Kollegen in Uniform seines Alters bei der Polizei – außer in höheren Positionen. Mit seinen nach hinten gegelten Haaren kannten ihn alle im Haus als Creasy 2000.
»Ich kann nicht klagen, Sergeant. Und bei Ihnen? Wie ich gehört habe, sollen Sie sich am Sonntag im Hurling ’ne Packung abgeholt haben?«
»Das wollen wir lieber nicht vertiefen, Mattie. Man sollte den Schiedsrichter wegen Bestechung und Korruption in den Knast stecken. Aber eigentlich hab ich mich gefragt, ob Sie mir ein bisschen helfen können. Wie komme ich an eins von den Bändern der Überwachungskameras hier ran? Die von draußen, meine ich, nicht die aus dem Verhörraum.«
Cassidys verschwörerisches Flüstern war offenbar genau das, was der zu Tode gelangweilte Mattie brauchte, der die letzten sechs Stunden unablässig auf die Monitore gestarrt hatte.
»Draußen, meinen Sie?«, sinnierte Mattie, als ob es um die Sicherheit der Nation ginge. »Tja, das sollte eigentlich kein großes Problem sein. Wir zeichnen alles auf und bewahren das mindestens einen Monat lang auf. Aber es ist nicht auf Band. Das wird alles auf Festplatten gespeichert, damit keiner mehr mit irgendwelchen Bändern rumjonglieren muss oder so. Speicherprobleme gibt es auch nicht mehr. Dolles Ding. Ganz anders als früher.«
Cassidy bezweifelte, dass es damals, als Mattie bei der Garda angefangen hatte, schon Elektrizität gegeben hatte, von Videobändern ganz zu schweigen.
»Es wäre also kein Problem, an ein paar Bilder von der Ausfahrt zur Harcourt Street vom frühen Abend ranzukommen – so gegen sieben, halb acht meine ich?«
»Gab’s da irgendwelche Probleme?« Mattie runzelte die Stirn, als ihm bewusst wurde, dass er den einzigen interessanten Vorfall verpasst haben könnte, der sich hier seit Ewigkeiten ereignet hatte.
»Nein, nein, das war keine große Sache. Ich will nur was prüfen, ohne es gleich an die große Glocke zu hängen.« Cassidy blinzelte ihm zu und grinste hinterher noch einmal schelmisch. Das reichte schon.
»Ach, alles klar.« Mattie blinzelte zurück. »Es ist nur für Ihre Augen bestimmt, was? Na ja, nichts leichter als das. Dauert nur ein paar Minuten, aber ich muss noch warten, bis Fahy aus der Pause zurückkommt. Ist es dringend? Soll ich ihn anrufen?«
»Nein, nein, lassen Sie den Mann in Ruhe seinen Tee trinken. Dann bleibt das unter uns.«
»Wissen Sie was?« Mattie war voller Begeisterung bei der kleinen Verschwörung dabei. »Wenn Sie wollen, lad ich das nachher runter und kopier es auf eine Disk. Die leg ich dann auf Ihren Schreibtisch.« Er klopfte sich auf die Nase, als er fortfuhr. »Dann können Sie es sich auf Ihrem Computer ansehen, wenn Sie Zeit dafür haben. Zwischen sieben und halb acht, sagten Sie?«
»Ja, genau.«
»Kein Problem, da sind zwei Kameras am Tor, und jeweils eine halbe Stunde von jeder davon
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