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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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Straße absetzen und direkt zur Tankstelle an der Bath Street weiterfahren kann. Mir war das egal. Ich dachte, da spar ich noch das Trinkgeld. Aber das musste natürlich ausgerechnet an dem Abend passieren, wo ein Perverser unterwegs war.«
    »Hatten Sie den Angreifer vorher gesehen? Ist er Ihnen die Straße entlang gefolgt?«
    »Keine Ahnung. Er kam von hinten, als ich den Schlüssel ins Schloss gesteckt habe. Es war, als ob er direkt in mich reingerannt wäre oder so. Ich bin mit dem Kopf gegen die Tür geknallt und wäre fast k.o. gegangen. Meine Schlüssel und alles sind runtergefallen. Dann weiß ich nur noch, dass ich auf dem Boden lag, die Hände hinter dem Rücken gefesselt waren und merk, wie er mir den Lappen in die Fresse stopft. Ich dachte, ich muss kotzen, aber als ich das Messer gesehen hab, konnte ich mich vor Angst nicht rühren.«
    »Haben Sie sein Gesicht gesehen?«
    »Was glauben Sie, verdammte Scheiße noch mal? Er hatte mir gerade einen über die Birne gegeben. Ich hab nur noch Sterne gesehen.«
    »Aber Sie müssen doch irgendeinen Eindruck von ihm bekommen haben?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Was ist mit seinem Alter? War er jung oder alt?«
    »Herrgott, woher soll ich denn das wissen? Ich war doch völlig fertig und hab nur das Messer angestarrt.«
    »Tja, und wenn Sie es einfach schätzen müssten?«
    Sie zuckte die Achseln. Offensichtlich hatte man ihr diese Frage noch nicht gestellt.
    »Na ja, er war wohl kein Jugendlicher. Aber auch nicht zu alt. Auch ziemlich groß und kräftig, allerdings kein Riese oder so.«
    »Im Bericht steht, Sie kannten den Mann nicht. Warum waren Sie sich da so sicher? Hat er etwas gesagt? Kannten Sie die Stimme nicht?«
    »Wollen Sie mich verarschen? Verdammt, die Stimme erkennt man sofort wieder, wenn man sie einmal gehört hat. Ganz leise und sanft. Und ziemlich gebildet, wenn ich jetzt so drüber nachdenke. Der kam bestimmt nicht hier aus dem Viertel. Und er hat die ganze Zeit vor sich hin gebrabbelt. Besonders nachdem er an mir rumgeschnippelt hat. Das hat er immer weiter gemacht, ganz leise, aber nicht aufgeregt, sondern vollkommen abgedreht. Er hat die ganze Zeit vor sich hin geschimpft und gemurmelt, als ob er irgendwie seine Gebete spricht oder so ’n Scheiß.«
    »Gebete?«
    »Ach, ich weiß auch nicht.« Wieder schüttelte sie den Kopf. »Ich hab die ganze Zeit nur Bahnhof verstanden. Ich weiß nur, dass er ein irres Arschloch war und mich böse geschlitzt hat.«
    »Aber er hat nicht versucht, Ihnen irgendwelche Brandwunden zuzufügen?«
    »Scheiße«, keuchte sie. »Was wollen Sie? Reicht Ihnen das nicht, was der mir angetan hat, oder was?«
    »Entschuldigung, ich musste nur nachfragen.« Mulcahy lächelte zaghaft, das Lächeln wurde jedoch nicht erwidert. »Ich sollte wohl lieber gehen. Damit Sie sich hier wieder um alles kümmern können.«
    An der Tür blieb er kurz stehen und fragte: »Hat er irgendetwas mitgenommen?«
    »Was meinen Sie?«
    »Irgendetwas Persönliches? Ein Schmuckstück oder so was, vielleicht eine Kette oder …«
    »Meinen Sie mein Versace-Teil?« Sie hatte fast ein Lachen in den Augen, als sie ihn anstarrte.
    »Ihr was?«
    »Ach, vergessen Sie’s«, sagte sie. »Die anderen Mädchen haben sich deswegen immer über mich lustig gemacht. Es war eins von diesen großen Versace-Kreuzen, die vor ein paar Jahren modern waren. Kennen Sie die?«
    Mulcahy sagte nichts, hatte Angst, ihren Redefluss zu unterbrechen.
    »Es war ein großes, goldenes Kreuz mit jeder Menge falschen Edelsteinen und Glasperlen und so was. So ähnlich wie die, die Rapper oft haben.«
    »Und das haben Sie damals getragen?«
    »Ja. Also, es war ja nicht echt oder so, nur ein billiges Teil, das ich auf der Henry Street für ’n Appel und ’n Ei gekriegt habe. Die Leute haben sich aber immer den Mund darüber zerrissen … na ja, wegen der Branche, in der ich arbeite und so.«
    »Und das hat er mitgenommen? Im Bericht stand nichts davon.«
    »Ja, also … Ich glaub schon, dass ich das damals mal erwähnt habe. Vielleicht hab ich aber auch nicht dran gedacht. Es war ja bloß alter Plunder. Er hatte mich mit dem Messer aufgeschlitzt, verdammt noch mal.«
    »Aber er hat es mitgenommen. Da sind Sie sicher?«
    Sie nickte und seufzte.
    »Ja, absolut. Gleich als ich vor ihm auf dem Rücken lag, hat er daran gezogen, als ob er mich erwürgen wollte. Das war aber nur billiger Schrott, darum ist sofort die Kette gerissen. Darüber hat er sich geärgert – er hat wohl gedacht,

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