Der Priester
Haus und Hof darauf verwettet, dass ihn dieses Gefühl sein Leben lang begleiten würde. Und doch musste er jetzt hier in Dublin feststellen, dass es ihm irgendwann abhandengekommen war – seit er das Privileg hatte, für Europol zu arbeiten und sich in Madrid mit Statistiken, Politik und nachrichtendienstlichen Tätigkeiten beschäftigt hatte, hatte er diesen Drang nicht mehr verspürt. Was war passiert? War er faul geworden? War es Langeweile? Vielleicht war er einfach nur gereift? Jedenfalls hatte er offenbar eine Veränderung durchgemacht, ohne dass es ihm bewusst geworden war. Vielleicht hatte ihm genau das drüben in Madrid gefehlt. Nicht die Liebe, ein Zuhause oder irgendeine andere Annehmlichkeit, wie er vermutet hatte. Sondern etwas Härteres, Dunkleres und Wilderes, dessen Fehlen er gar nicht bemerkt hatte. Aber jetzt war es wieder da, dieses Brennen im Blut. Und es fühlte sich gut an. Er brauchte es. Es kam von tief innen und brachte ihn auf Trab.
Den Telefonhörer zwischen Schulter und Kinn gepresst, blickte Siobhan von ihrem Notizblock auf, als Paddy Griffin wieder in die Nachrichtenredaktion kam. Vergeblich versuchte sie, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, als er auf der anderen Seite durch den Raum ging.
»Verstehe, mhm«, sagte sie, konzentrierte sich wieder auf das Telefonat, blätterte den Block um und schrieb weiter. »Darf ich Sie mit den Worten zitieren?« Sie lächelte, als sie die erwünschte Antwort bekam. »Das ist wunderbar. Sie haben mir sehr geholfen. Es ist genau das, was ich gesucht habe.«
Sie knallte den Hörer auf die Gabel, eilte zu Griffin, packte ihn am Arm und zog ihn in Harry Heffernans leeres Büro.
»Sie werden es nicht glauben, Paddy.«
Sie schloss die Glastür hinter ihnen, während Griffin seinen schmalen Hintern auf die Schreibtischkante stützte, die Arme verschränkte und so das Bild eines Mannes abgab, der überzeugt davon war, dass es für ihn nichts Neues mehr gab, weil er schon alles auf der Welt gesehen hatte. Trotzdem funkelten seine Augen, als er sie von oben bis unten ansah, wie immer bereit, seiner Starreporterin zu Diensten zu sein. Allerdings war er dann doch nicht ganz so sehr Profi, als dass ihm ein verstohlener Blick auf ihre vor Begeisterung wogende Brust keine Freude bereitet hätte.
»Na, was hast du? Einen Knüller?«
»Diese junge Spanierin … Ich weiß, warum wir sie nicht finden.«
»Erzähl.«
Siobhans Augenbrauen hoben und senkten sich ebenso eindrucksvoll wie ihre Stimme, als sie die Story erzählte. »Die Schwester hatte mir doch erzählt, dass das Mädchen von uniformierten Männern abgeholt wurde. Und da ist offenbar mehr dran, als wir dachten. Ich habe gerade mit jemandem von der Flugüberwachung gesprochen, der sagte, ihnen wurde am frühen Montagmorgen offiziell mitgeteilt, dass gegen neun Uhr ein Gulfstream Jet auf dem Flughafen in Baldonnel landet. Mein Informant reagiert ziemlich allergisch auf CIA -Überstellungen, daher ist der dem nachgegangen, und …«
»Stopp, um Himmels willen«, unterbrach Griffin sie ungeduldig. »Was hat denn die CIA mit der ganzen Sache zu tun?«
Siobhan brachte ihn mit einer kurzen Geste zum Schweigen. »Nichts. Und wenn du noch einen Moment wartest, wirst du merken, dass ich gerade dabei bin, dir genau das zu erzählen.«
Wie alle Journalisten konnte er nicht warten. Er musste alles schon im ersten Absatz erfahren. Sie starrte ihn an, bis er beide Hände hob, sich dann mit einer über den Mund fuhr, als ob er einen Reißverschluss schloss, und ihr mit einer weiteren Geste das Wort übergab. Sie warf die Haare zurück und fing noch einmal an.
»Gut, ich mach es so kurz wie möglich. Laut Gesetz muss die Luftwaffe die Flugaufsicht über alle Militärflüge informieren, die die offiziellen irischen Flugrouten kreuzen. Also ist meinem Informanten von Aer Rianta unter den üblichen Meldungen – Flüge zur Überwachung der Fischereizonen, Seenotrettungsflüge und so weiter – ein weiterer, ungewöhnlicher Flug ins Auge gefallen: Diese Gulfstream auf dem Weg nach Baldonnel. Er ist, wie gesagt, Mitglied in einer von diesen Internetgruppen, die ungewöhnliche Flugbewegungen beobachten, um diese CIA -Flüge mit illegal Festgenommenen zu überwachen. Also im Prinzip einfach ein besorgter Bürger, ja? Kannst du mir so weit folgen?«
Griffin nickte schweigend, rollte aber verzweifelt die Augen.
»Okay, jetzt kommt’s gleich. Der Flug soll von einem Flugstützpunkt in Nordspanien kommen, also
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