Der Prinz der Hölle
sprechen.«
Auf den Zehen stehend versuchte Endi, über die Brüstung auch den zu sehen, der jetzt sprach. Schritte wurden unten lauter – und da sah sie einen hochgewachsenen Mann in schwarzem Umhang, auf den ein paar andere, ebenfalls in schwarzen Umhängen, zukamen. Sie begannen leise aufeinander einzureden. Sie fand, dass sie alle wie Zauberer aussahen.
Ihr Götter! Wie sollte sie aus dem Palast gelangen, wenn sich dort unten Zauberer aufhielten? Griff der Wahnsinn um sich?
Plötzlich erklangen hinter ihr Schritte. Verstört drehte sie sich um. Yarise kam den Korridor entlang und bemerkte sie, gerade als sie ihr Schlafgemach betreten wollte. Erstaunt ging sie nun statt dessen auf ihre Leibmagd zu und fragte: »Endi, was machst du denn mitten in der Nacht hier?«
»Verzeiht, Herrin. Mir war so schlecht, dass ich ein bisschen in die frische Luft wollte, hatte jedoch wegen der Soldaten Angst, den Hinterausgang zu nehmen.« Sie schwitzte, ihre Hände zitterten, und sie konnte Yarise nicht in die Augen blicken.
»Du wirst mir doch nicht krank werden! Das kann ich nicht brauchen.« Yarises Stimme klang eine Spur gereizt.
»Ich … ich ›hatte Krämpfe und Fieber. Ich fröstelte. Ich hoffe, es ist nicht …«
»Geh in die Küche, lass dir von der Nachtköchin etwas richten, Hühnerbrühe, vielleicht.« Sie musterte Endi. »Du fürchtest dich doch nicht, oder?«
»Doch, ein wenig …«
»Warum? Was sind das für Stimmen unten?«
»Fremde sprachen mit den Wächtern. Ich sah sie, sie sind …«
Da brach in der Stille der Nacht die Hölle im Palast aus. Ein furchtbares Krachen war zu hören, und ein grauenvolles Kreischen kam aus Yarises Schlafgemach, danach donnerte Du-jums Stimme.
»Ihr Götter!« Yarise wandte sich von Endi ab und rannte den Korridor zurück.
Verstört blickte Endi in alle Richtungen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, dann folgte sie nach kurzem Zaudern ihrer Herrin.
Yarise riss die Tür zum Vorgemach auf und brüllte die Wächter an, gegen die sie fast prallte. Aber sie achteten gar nicht auf sie, sondern stolperten mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen auf den Gang. Endi rannte an ihnen vorbei, obgleich einer nach ihrem Ärmel griff und sie zurückzuhalten versuchte.
Du-jum heulte wie ein Besessener – nicht aus Furcht, sondern auf und ab schwellend, offenbar in einer Beschwörung. Endi stürmte durch das Vorgemach und blieb wie angewurzelt an der Tür zum Schlafgemach stehen.
Es war der Vogel!
Kreischend und ächzend flog er herum und versuchte immer wieder, Du-jum mit den Krallen zu erwischen und mit dem Schnabel nach seinem Gesicht zu hacken.
Du-jum selbst kauerte am Boden in der Mitte des Gemachs. Die Arme hatte er erhoben und beschrieb damit hastige Zeichen. Ein schwacher Schein umgab ihn: sein sichtlich schwächer werdender Schutzschirm. Jedes Mal, wenn Krallen, Schwingenspitzen oder Schnabel ihn berührten, sprühten blaue, gelbe und rote Funken auf. Du-jums Heulen wurde schriller, noch schneller schwenkte er die Arme, um die schreckliche Macht seiner eigenen, nun gegen ihn selbst gerichteten Kraft abzuwehren.
Völlig erstarrt und verängstigter denn je zuvor stand Endi an der Schwelle. Sie war nicht imstande sich zu rühren, und vermochte kaum zu atmen. Sie konnte nicht wissen, dass dieser Vogel des Bösen durch Zauberei daran gehindert worden war, den Zauberauftrag Du-jums durchzuführen, und dass er noch geladen mit seiner höllischen Kraft zurückgekehrt war und sie nun loswerden musste. Der Zauber war zurückgeprallt, der Fluch kehrte zu dem zurück, der ihn ausgesandt hatte.
Und Yarise, die sich ins Schlafgemach gewagt hatte, stand in der hinteren Ecke und versuchte ihre eigene, nutzlose Beschwörung, um den Höllenvogel zu bändigen. Verzweifelt griff sie plötzlich hoch, hob eine brennende Fackel aus der Wandhalterung und warf sie gegen den kreisenden Vogel.
Der Vogel kreischte und fing die Fackel mit dem Schnabel auf. Dann schmetterte er sie mit einer heftigen Kopfbewegung zu Boden. Funken sprühten.
Yarise schrie und drückte sich an die Wand.
Vom Korridor erklangen die Schritte vieler Stiefel und das Rasseln von Waffen, die gezogen wurden. Wächter – und andere.
»Zurück!«
Endi sah einen hochgewachsenen Mann in dunklem Umhang. Mit leuchtend gelben Augen stürmte er sechs weiteren voraus ins Vorgemach.
»Zurück, Wachen! Ihr könnt ihm nicht helfen. Klingen vermögen hier nichts auszurichten! Zurück!«
»Aber … was können wir tun?« fragte
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