Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
Eindringling gelesen. Ging es um Rohana Merson? Aber wer, wenn nicht Esrahil Gremm, könnte wissen wollen, ob sie noch lebte? Lizet hatte das Gefühl, etwas zu übersehen, aber er beschloss, der Sache später weiter nachzugehen, wenn Bruder Melid seine Gedankengänge nicht länger störte.
» Es ist sicher hart, die Nachricht von gleich vier tragischen Todesfällen, die eigentlich Wochen auseinander liegen, auf einmal zu erhalten « , sagte er, um das Thema zu wechseln.
» Es ist vielleicht weniger schlimm, als vier solche Schicksalsschläge nacheinander verkraften zu müssen « , entgegnete der Scholar.
» Auf jeden Fall hat es Gremm schwer getroffen. Er hat all seine lebenden Verwandten verloren. Jetzt bleibt ihm wohl nur noch seine Frau. «
» Seine Frau? « , fragte Melid stirnrunzelnd.
» Ja, und die scheint auch leidend zu sein. «
» Aber … Leutnant Lizet, Gremms Frau ist doch schon seit Jahren tot! «
Vil hatte einen unruhigen Tag in der Schmiede verbracht. Er hatte es kaum geschafft, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, und war von Meister Turro gleich zweimal milde gemaßregelt worden. Jetzt saß er bei Peker und wartete ungeduldig auf Nachricht von Gibean.
Der kam bald ins Versteck gestürmt. » Er ist tot, verdammt noch mal, der Wächter ist tot! Sagt bloß, ihr habt es noch nicht gehört? Das ganze Viertel spricht doch über nichts anderes! «
» Ich war den ganzen Tag hier. Was ist denn passiert? « , fragte Peker.
» Irgendjemand ist gestern Nacht in die Halde eingedrungen, hat ein halbes Dutzend Wächter umgebracht und ist wieder verschwunden. Mein alter Freund konnte nicht zum Treffen kommen, einfach weil er tot war. «
Als Vil begriff, was das bedeutete, tat sich vor ihm ein Abgrund der Leere auf. Er war so nah daran gewesen, und nun das! Er hörte kaum zu, als seine neuen Freunde sich in wilden Vermutungen ergingen, wer das getan haben könnte.
» Vielleicht hat irgendeiner die Galeere überlebt und ist zurückgekehrt, um sich zu rächen « , meinte Gibean.
» Ist denn jemand befreit worden? « , fragte Vil düster.
» Nein, nicht dass ich wüsste « , erwiderte Gibean. » Die Tore sollen verschlossen gewesen sein, als man die Toten fand. «
» Dann war es keiner aus der Halde « , stellte Vil fest. Er jedenfalls hätte die Tore weit aufgerissen und alle hinausgelassen. Eine Weile saß er wie betäubt, dann riss er sich zusammen und stand auf. » Ich nehme an, die Kronen sind ebenfalls verloren? « , fragte er grimmig.
Gibean zuckte bedauernd mit den Achseln.
» Dann eben von vorn « , verkündete er entschlossen. » Wenn du wieder etwas hast, Pek, du kannst auf mich zählen. «
» Geht klar. Wo willst du hin, Vil? «
» Ich brauche frische Luft « , erklärte er und verließ das Versteck. Schneidend kalte Luft, wie er sie so spät im Winter selten erlebt hatte, zog durch die Gassen, und ein paar Raben, die auf dem Pflaster um die Überreste einer toten Ratte stritten, begrüßten ihn mit heiserem Krächzen. Er stapfte missmutig durch die Straßen, taub für die Lockrufe der Huren und Türsteher. Seine Entschlossenheit war nur gespielt, er hatte keine Ahnung, was er jetzt machen sollte.
Sechshundert Kronen, hatten sie gesagt, so viel würde er brauchen, um seine Schwester freizukaufen. Wie sollte er so viel Geld nur zusammenbekommen? Diese Diebstähle waren zwar viel einträglicher als die Arbeit in der Schmiede, aber mehr als zehn oder zwölf Kronen waren an einem Abend nicht zu verdienen.
Er entdeckte den Laden des Geldverleihers wieder, vor dem Pek ihn angesprochen hatte. Durch die dicken gelben Butzenscheiben konnte er sehen, dass drinnen Licht brannte. Seine Hand wanderte zum Messer. Niemand würde einen Wucherer vermissen. Der Mann da drin hatte nicht sehr kräftig ausgesehen. Er konnte all das Geld zusammenbringen, das er brauchte, auf einen Schlag. Er fühlte plötzlich eine Berührung am Bein, blickte nach unten und sah einer der vielen Katzen dieses Viertels um seine Beine streichen. » Ich hab nichts « , stieß er hervor und schob das Tier mit dem Fuß fort.
Aber es kehrte zurück, schmiegte sich an ihn und maunzte klagend.
Vil starrte die Katze feindselig an, dann schüttelte er den Kopf. » Na, dann komm, lass mich sehen, ob ich uns beiden nicht was zu trinken besorgen kann. «
Bis zu diesem Tag hatte er Alkohol möglichst gemieden. Er trank zwar hin und wieder ein Bier mit Peker, aber nie mehr als eines, ganz gleich, wie sehr die Mädchen im Goldenen
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