Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
Fensterhöhlen, und später gesellte sich noch ein unangenehmer Regen hinzu, der durch das schadhafte Dach sickerte.
Peker erschien gegen Mitternacht, und er brachte etwas zu essen mit, aber Vil hatte keinen Appetit. Die Stunden schienen immer langsamer zu verrinnen. Irgendwann erschien eine schwarze Katze, die Peker mit dem Essen fütterte, das Vil verschmäht hatte.
Die verabredete Stunde kam, aber der Wächter tauchte nicht auf.
Sie warteten. Die Nacht verstrich, sie warteten, bis der nächste Wintertag trüb und grau anbrach – aber der Wächter ließ sich nicht blicken, und niemand brachte Tiuri zu ihrem Bruder.
Gremm stand auf der alten Schanze unweit des Obermarktes und starrte auf das Meer hinaus. Es herrschte reges Treiben: Galeeren und Galeassen, hochbordige Südmeerfahrer und plumpe Frachter steuerten den Hafen an oder verließen ihn.
Früher hatte diese Geschäftigkeit Gremm immer beruhigt, doch an diesem Tag war es, als würden diese Schiffe auf einem fremden Meer einen fremden Hafen ansteuern, einen Ort, der ihn nichts anging. Es berührte ihn einfach nicht, und sein Blick wanderte unstet über den großen Hafen, hinaus zur alten Festung, die ihn schützte, und weiter hinaus aufs graue Meer. Ein Meer voller Sorgen, dachte er. Er fand die Ruhe trügerisch. Irgendwo da draußen unter der glatten Oberfläche türmte sie sich gewiss schon auf, die Welle, die unweigerlich auf ihn zurasen und über ihm zusammenschlagen würde, kalt und hart, so wie das plötzliche Misstrauen, das ihm entgegengeschlagen war, am Vortag, dem ersten Kaisertag des Winters, an dem er in der Versammlung keine glückliche Figur gemacht hatte.
Telius Nestur hatte mit feinen Spitzen die Versammlung darauf hingewiesen, dass Gremm neuerdings Umgang mit einem Händler aus Frialis pflegte, einem Berater des Gesandten, der seit einigen Wochen die Stadt mit seinem Besuch beehrte. » Zwar sind wir mit dem Seebund durchaus freundschaftlich verbunden, doch beruht diese Freundschaft eher auf Respekt als auf Vertrauen. Warum geht Ihr also mit einem Fremden vertraulicher um als mit den Kauffahrern Eurer eigenen Stadt, Menher Gremm? «
» Und warum speist Ihr fast jeden Tag mit diesem fetten Gesandten? « , hätte Gremm ihm entgegenschleudern sollen, aber diese Worte waren ihm erst eingefallen, als es zu spät war.
Und Nestur säte weiter Zweifel an Gremms Heimatliebe, sei er doch ein Kauffahrer, der sehr oft das Goldene Meer befahren und sogar seine Frau da gewählt habe.
Gremms Anhänger verbreiteten später, er habe sich nur deshalb nicht verteidigt, weil es unter seiner Würde sei, auf diesen Unsinn einzugehen.
Viel werden sie damit nicht erreicht haben, dachte Gremm, während er über die See blickte. Es waren noch zweieinhalb Monate bis zu dieser vermaledeiten Wahl. Er wünschte, er hätte es hinter sich. Und er wünschte, sein Schwager würde die Stadt endlich wieder verlassen. Zweimal war Merson noch zu ihm gekommen, hatte ihn ausgefragt über die genauen Umstände des Minenunglücks und über die Halde.
Leider hatte Gremm niemanden, mit dem er über diese Angelegenheit reden konnte, denn Sester Elgos hatte die Stadt ziemlich überstürzt verlassen und ihm nur über einen Boten die dürre Nachricht übermittelt, dass er für einige Wochen auf dem Festland zu tun habe.
Gremm vermisste den Gefährten aus alten Zeiten eigentlich nicht, weil er auch die alten Zeiten nicht vermisste, aber in seinem Schreiben hatte Elgos kein Wort über Rohana verloren, obwohl er doch angekündigt hatte, etwas zu unternehmen, und er fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Schließlich hatte er seiner Frau von seinen Nöten erzählt, doch die konnte auch nicht mehr tun, als ihm Mut zuzusprechen.
» Ah, hier finde ich Euch, Menher Gremm. «
Gremm drehte sich um. Der hat mir gerade noch gefehlt, dachte er, als er Leutnant Lizet wiedererkannte. Er begrüßte ihn dennoch betont freundlich in der Hoffnung, es handele sich um eine zufällige Begegnung.
Diese Hoffnung zerstob, als Lizet sagte: » Ich habe Euch gesucht, und Eure Köchin meinte, dass Ihr zuweilen hier zu finden wäret. Ich bedaure, dass ich Euch aus traurigem Anlass sprechen muss, Menher Gremm. «
» Traurig? «
» Eure Schwester, Menher, ich muss Euch mitteilen, dass sie leider verstorben ist. «
» Rohana? Meine … « Gremm fühlte sich, als habe ihm jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt. Er fühlte seine Beine schwach werden, schwankte, hielt sich an der Mauer fest.
» Dort
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