Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
beinahe alles, was das Herz begehrt, doch seid Ihr wohl kaum hier, um einzukaufen, oder? «
Der Gesegnete lachte. » Nein, doch ist es üblich, dass man mir für meine Dienste eine kleine Belohnung gibt. Ich wäre zum Beispiel dankbar für einen schönen Schinken. «
» Ich habe nicht nach Euren Diensten verlangt. «
Der verklärte Gesichtsausdruck des Blinden verschwand. » Das habt Ihr nicht, doch Eure Mutter tut es, wieder und wieder. «
» Meine Mutter? «
» Wisst Ihr, wie es ist, mit den Toten zu sprechen? Nein, natürlich wisst Ihr es nicht. Meistens muss ich für ihre Hinterbliebenen in weit entfernten Sphären nach ihnen suchen, denn sie sind doch oft froh, Mühen und Plagen des Lebens hinter sich zu lassen. Sie wollen nichts mehr mit dieser Welt zu schaffen haben, und man muss sie durch die Dunkelheit zerren, die uns von der anderen Seite trennt. Nicht so Eure Mutter, Menher. Ihr Geist ist stark und voller Unruhe. Sie kommt zu mir, wieder und wieder, spricht zu mir in den Nächten, verfolgt mich bis in meine Träume. Ich werde wohl keine Ruhe vor ihr finden, solange Ihr ihre Wünsche nicht erfüllt. «
Vil schwieg. Er musste nicht erst nachfragen, er wusste nur zu gut, was sie verlangte.
Der Gesegnete erzählte es ihm trotzdem: » Rache, Menher, Eure Mutter dürstet nach dem Blut der Männer, die Eure Familie ins Unglück stürzten. «
» Noch mehr Blut? Sagt ihr, dass die schlimmsten von denen bereits tot sind. «
» Sie weiß, was Ihr getan habt, aber sie sagt, das seien nur die Handlanger des Unglücks, nicht jene, die es verursacht haben. «
» Aber ich weiß doch nicht einmal, wer diese Männer sind. Ein geheimes Gericht hat das Urteil gefällt, niemand weiß, wer in diesem Gericht saß! «
» Dann findet es heraus, Menher. Ich nehme an, Ihr wisst, wer Euch dabei helfen kann? «
Vil hatte das Gefühl, dass sich gerade eine Schlinge um seinen Hals zog. » Nein, ich weiß es nicht. «
» Eure Mutter erwähnt immer wieder ihren Bruder. Sie scheint nicht viel von ihm zu halten. «
» Gremm? Esrahil Gremm? Wie soll dieser ängstliche kleine Mann mir helfen können? «
Der Blinde lächelte. » Ich habe gehört, dass er im Hohen Rat sitzt. Ich nehme an, dass er Dinge in Erfahrung bringen kann, von denen ein Totenrufer wie ich nichts weiß, Dinge, die die Lebenden betreffen. «
» Und wenn ich nicht noch mehr Blut an meinen Händen haben will? «
» Dann wird Eure Mutter keine Ruhe finden und ich somit auch nicht. Und dann werde ich öfter vor Eurer Pforte stehen, Menher, täglich, wenn es sein muss. Doch jetzt wäre ich dankbar für eine Entlohnung, Menher. Ich nehme Kronen oder den schon erwähnten Schinken, der so angenehm in die Nase sticht. «
Vil riss den Schinken vom Haken. Er hätte den Mann am liebsten damit erschlagen. Ja, für einen Augenblick überlegte er ernsthaft, es zu tun. Wenn er den Totenrufer aus dem Weg räumte … Aber er tat es nicht.
» Wer war das? Ein Freund von Skari? « , fragte Tiuri, die die Treppe herabgepoltert kam, kaum dass Nekor den Laden verlassen hatte.
» Nein, nur ein Blinder, der mit den Toten spricht. «
» Oh – und was wollte er von dir? «
Vil setzte sich auf eine Kiste und barg das Gesicht in den Händen. Er fühlte sich unendlich müde. » Es ist Mutter, Tiri. Sie gibt keine Ruhe. Sie will, dass ich die Männer finde und töte, die uns ins Elend gestürzt haben. Aber ich habe keine Namen, nichts! «
» Hast du denn nach ihnen gesucht? «
Vil wich der Frage aus. » Es müssen mächtige Männer sein, viel mächtiger als der Eisenkönig, das Triefauge oder der Boss. Sie können uns zermalmen, wenn wir ihnen zu nahe kommen. «
Tiuri sah ihn ernst an. » Du hast Angst? «
» Nicht um mich, Tiuri, aber um dich. «
» Vil, das ist nicht recht. Du kannst dich nicht hinter mir verstecken. Diese Leute haben unsere Familie vernichtet. Und du willst sie davonkommen lassen? «
Vil schaute erstaunt auf. Da stand seine kleine Schwester, nicht einmal vierzehn Jahre alt, und sah ihn mit einer Kälte an, die er noch nie bei ihr gesehen hatte. Es war, als stünde Rohana Merson leibhaftig vor ihm.
» Lässt du dich deshalb so oft volllaufen? Um deine Pflicht zu vergessen? «
» Tiuri, wir reden davon, Menschen zu töten. «
» Und? Sie haben es verdient, oder nicht? «
» Es war ein geheimes Gericht, Tiuri. Im Prinzip waren es ein paar Männer, die vom Los, vom Zufall, bestimmt wurden. «
» Dann wäre es besser für sie gewesen, das Los wäre auf
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