Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
klügere Köpfe fragen müssen, vielleicht sogar die Scholaren. «
Vil ließ eine weitere Reihe Sechskronenmünzen auf den Tisch gleiten. » Auf keinen Fall werdet Ihr mit den Scholaren reden, Menher. Nehmt es als ein Wunder, als eine Gnade des Himmels. Es steht uns nicht zu, das zu sehr zu hinterfragen. «
Immer noch verharrte die Hand des Arztes über dem Tisch.
Vil legte noch einmal ein Dutzend Münzen dazu.
Der Arzt seufzte und schüttelte den Kopf. » Ihr habt recht, Menher. Die Scholaren haben auf dieser Insel so viele Wunder hinterfragt, dass diese Chelos nun zu meiden scheinen. « Er legte die Münzen auf den Tisch zurück. » Ich werde behalten, was einem Arzt in diesem Fall gebührt, Menher, nicht mehr. Denn ich habe nun verstanden, was mir hier begegnet ist. «
» Ich danke Euch. «
» Nein, Menher, ich danke Euch « , sagte der Arzt mit leiser Stimme. » Magie – ich habe nicht erwartet, dass ich sie einmal leibhaftig zu Gesicht bekomme, abgesehen von den bedauernswerten Gesegneten, die doch allesamt einen hohen Preis für ihre bescheidenen Kräfte bezahlen. Doch Eure Schwester, das ist etwas ganz anderes. Wenn Ihr erlaubt, werde ich in den nächsten Tagen noch ein- oder zweimal nach meiner Patientin sehen, nein, nicht um zu forschen, ich will nur sehen, wie es ihr geht. «
» Natürlich « , erwiderte Vil und brachte den Mann zur Pforte.
» Glaubst du endlich, dass Tiuri über magische Kräfte verfügt? « , fragte Skari von der Treppe.
» Ist sie eingeschlafen? «
» Ja. «
» Und du meinst, man kann sie allein lassen? «
» Für den Augenblick, ja. Sie ist leer, es ist keine Kraft mehr in ihr. Aber in Zukunft sollte jemand bei ihr wachen, denn wenn Trauer und Zorn zurückkehren … «
» Würdest du …? «
» Heute kann ich bleiben, doch dann wirst du dir jemand anders suchen müssen. Es wäre nicht gut für dich, wenn eine Gesegnete in deinem Haus lebt. Die Nachbarn werden sich ohnehin schon fragen, was hier vorgefallen ist. Und nicht alle werden so klug sein wie dieser Arzt und den Mund halten. «
» Man wird ein paar Tage drüber reden, dann wird man es vergessen. «
» Und wenn es wieder geschieht, Vil? Deine Schwester trägt diese Kraft in sich, die wird nicht verschwinden. «
» Wenn wir sie ständig daran erinnern, gewiss nicht. Also kein Wort zu ihr. Ich habe ihr erzählt, dass es eine brennende Kerze war, die ihr Bett in Brand gesteckt hat. Und genau das wirst du ihr auch erzählen. «
Aber Skari gab ihm darauf keine Antwort.
Am nächsten Tag schickte Vil Nerime, eines der Mädchen aus dem Bamaal, zu sich nach Hause, damit sie sich um seine Schwester kümmerte. Er blieb selbst so oft wie möglich zu Hause, denn es wurde nicht besser. Tiuri aß kaum, weinte die Nächte hindurch und sprach nicht, jedenfalls nicht mit ihm. Und immerzu trug sie Schwarz. Es gab ihm jedes Mal einen Stich, wenn er sie abgemagert und blass am Tisch sitzen sah. Er musste sie zwingen, herunterzukommen, aber er konnte sie nicht zwingen zu essen. Nerime redete ihr gut zu, aber sie erreichte nicht viel.
Vil sagte sich, dass das vorübergehen würde, doch Woche um Woche verging, und es stellte sich keine Änderung ein.
Der Herbst schritt voran, die Nächte wurden kalt, und ein zäher Nebel legte sich jede Nacht über Xelidor, verschluckte die Insel und barg allerlei Gefahren. Die melorische Ernte war mäßig ausgefallen, und in Xelidor, das jedes Weizenkorn importieren musste, war der Brotpreis noch einmal angestiegen. Es gab Überfälle auf den nächtlichen Straßen, wohlhabende Männer und Frauen wurden ausgeraubt, manchmal erstochen.
Die Raben, so nannten sich die Männer, die diese Verbrechen begingen, und sie waren längst in aller Munde. Es hieß, dass sie nur die Reichen überfielen und den Armen gaben. Sie erschienen und verschwanden im Nebel, und bei jedem Überfall hinterließen sie ein Flugblatt, in dem sie verlangten, dass das Katzenviertel wieder aufgebaut und Lohn und Brot für die Menschen der Stahlseite beschafft werden müsse.
Die Wachen behalfen sich mit weiteren willkürlichen Verhaftungen, aber das nur noch tagsüber, denn in der Nacht gingen sie allenfalls in größeren Trupps auf Streife, weil eines Nachts drei von ihnen in den Ruinen überfallen und ermordet worden waren.
Purgus bestand daher darauf, Vil nun immer nach Hause zu begleiten, und er fühlte sich tatsächlich sicherer, wenn der Gesegnete in seiner Nähe war.
Als er sich an diesem Abend vor der Tür von Purgus
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