Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
die rostige Ketten trugen, und Frauen, die als solche in ihren Lumpen kaum noch zu erkennen waren. Sed hatte ihm erzählt, dass einst über tausend Menschen hier unten eingepfercht gewesen waren, dass aber in letzter Zeit immer weniger Gefangene kamen, weil die meisten doch den Weg in den Süden wählten. Vil schätzte die Zahl der Vergessenen inzwischen auf vielleicht zweihundert, viele davon waren Alte, noch mehr Versehrte, auch etliche Frauen und deren Kinder, die ihn aber ebenso mieden wie die Erwachsenen.
Er gab seine Bemühungen schließlich auf und versuchte aus lauter Langeweile, besseres Holz für ihre Behausung zu besorgen. Als er ein paar krumme Bretter heranschleppte, wurde er jedoch vom Eisenkönig aufgehalten: » Augenblick, mein Junge, dieses Holz … du kannst es dir nicht einfach nehmen, es gehört mir! «
» Aber es lag auf dem Boden! «
» Alles Holz liegt auf dem Boden, bis meine Leute es aufsammeln, denn der Boden gehört ebenfalls mir. «
» Sagt wer? « , gab Vil zurück.
Der Eisenkönig legte Vil eine schwere Pranke auf die Schulter. » Verwechsle mich nicht mit den beiden halb verhungerten Gestalten, die du besiegt hast, Kleiner. Ich bin Semer Geffai, der Eisenkönig, und diese Bretter stammen aus meinem Reich. Trage sie hinüber auf den Stapel hinter meiner Hütte, und ich will vergessen, dass du versucht hast, sie zu stehlen. «
» Stehlen? Ich bin Viltor Aretus Merson, ich stehle nicht! Nehmt diese Beleidigung sofort zurück, Menher! «
» Sonst was? Ich war geduldig mit dir und deiner Familie, doch meine Geduld ist nun erschöpft. Meine letzte Warnung, mach dich mir nicht zum Feind! «
Vil starrte den Mann wütend an. Welche Unverschämtheit, ihn als Dieb zu bezeichnen! Er dachte an das Messer, das er unter einem Stein in ihrer Höhle versteckt hatte.
Doch dann tauchte plötzlich seine Mutter auf und verlangte zu wissen, was der Lärm zu bedeuten habe.
» Euer Sohn, Doma Rohana, er tat es wohl nicht mit Absicht, aber er hat Dinge an sich genommen, die mir gehören. «
» Er hat mich einen Dieb genannt! «
» Verzeiht, meine Wortwahl war nicht angemessen, doch versuchte ich, Eurem Sohn nur meinen Standpunkt klarzumachen, Doma. Wie geht es übrigens Eurem anderen Sohn? Wieder besser, hoffe ich? Wenn Ihr weitere Kräuter braucht, so kommt jederzeit, und ich werde sie für Euch besorgen. «
» Viltor, gib dem Mann, was ihm gehört. «
» Aber Mutter! «
» Viltor! «
» Nichts für ungut, junger Merson « , meinte Semer Geffai mit versöhnlicher Stimme, aber sein Blick war finster, als er Vil die Bretter abnahm.
» Warum …? « , begann Vil, als sie in ihrer Unterkunft waren.
Seine Mutter unterbrach ihn mit kurzer Geste. » Nach allem, was ich weiß, ist es wirklich so, dass alles Holz, das heruntergeworfen wird, ihm gehört. Ich habe jedenfalls nicht gehört, dass irgendjemand das bezweifelt. Frag ihn also das nächste Mal, bevor du etwas nimmst. Ich will nicht, dass mein Sohn für einen Dieb gehalten wird. «
» Aber Mutter! «
Sie schüttelte den Kopf. » Jetzt geh und denk darüber nach. Und such Faras und schick ihn mir. Ich will sehen, wie es ihm geht. «
Außer sich vor Wut kroch Vil wieder aus ihrer armseligen Wohnhöhle. Er suchte seine Geschwister und fand sie am Bach, wo Faras aus etwas Rinde kleine Schiffe gebaut hatte, die er nun schwimmen ließ. Es waren andere Kinder in der Nähe, doch schienen sie seine Geschwister ebenfalls zu meiden. Nur Sed war bei ihnen und sah Faras beim Spielen zu.
» Fari, Mutter will dich sehen. «
» Jetzt? Aber ich will noch nicht … «
» Sofort! «
» Aber meine Schiffe! Ich muss sie einsammeln. «
» Vergiss diese albernen Schiffe! Du kannst sie sowieso nicht behalten. «
» Was ist denn los? « , fragte Tiuri, als Faras mit Tränen in den Augen abgezogen war.
Vil erzählte ihr, was geschehen war und was seine Mutter gesagt hatte.
» Das ist noch kein Grund, Fari so anzufahren. Er kann doch nichts dafür. «
Vil murmelte leise, dass es ihm leidtäte.
» Sag das nicht mir, sondern Fari. Und was das andere anbelangt, so solltest du deinen Verstand gebrauchen. «
» Weiß nicht, was du meinst. «
» Du bist manchmal wirklich schwer von Begriff « , meinte Sed grinsend.
Und als Vil immer noch nicht verstand, erklärte ihm seine Schwester: » Menher Geffai ist der Einzige, der uns Kräuter besorgen kann, falls Fari wieder krank wird. Mutter darf es sich nicht mit ihm verderben. «
Vil wollte sich aber trotzdem nicht
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